„Roxanne Roxanne“, USA, 2017
Regie: Michael Larnell; Drehbuch: Michael Larnell; Musik: RZA
Darsteller: Chanté Adams, Mahershala Ali, Nia Long
Auf den Mund gefallen ist Lolita Shanté Gooden (Chanté Adams) sicher nicht. Sie lässt sich nur ungern etwas von anderen vormachen. Nicht von ihrer Mutter (Nia Long), die an der Flasche hängt. Nicht von den Jungs in ihrer Nachbarschaft. Immer wieder lässt sie sich auf Wortduelle mit den anderen ein, besiegt mit ihren harten Sprechgesängen selbst deutlich ältere. Dieses Talent wird ihr noch einmal sehr nützlich sein, als sie zu einem Rap-Phänomen aufsteigt. Aber es führt auch zu neuen Konflikten, als Männer das Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen auszunutzen beginnen.
Missy Elliot, Queen Latifah, Lil’ Kim, es gibt sie natürlich, Frauen, die sich im notorisch männerdominierten Rap einen Namen gemacht haben. Aber sie bleiben eher die Ausnahme in einem Umfeld, das sich ganz gern mal an Machoposen ergötzt und das früher für frauenfeindliche Musikvideos berüchtigt war. Umso erstaunlicher ist es, von einer Künstlerin zu hören, die schon Mitte der 80er Erfolge feierte. Heute ist Roxanne Shanté, wie sich Lolita Shanté Gooden nannte, eher in Vergessenheit geraten. Ihre Karriere beendete sie früh, konnte von dem späteren Rap-Boom dann auch nicht mehr profitieren.
Der Mensch hinter der Musik
Regisseur und Drehbuchautor Michael Larnell würdigt in dem Netflix-Film dieser Pionierin, tut es aber auf eine etwas überraschende Art und Weise. Im Mittelpunkt steht gar nicht ihr 1984 aufgenommenes Lied Roxanne’s Revenge, eine Antwort-Single auf das Stück Roxanne Roxanne der Hip-Hop-Gruppe UTFO. Dass sie damit erfolgreich war, im Radio gespielt wurde, das erfahren wir. Wir sehen auch, wie sie mit ihrem Partner Cross (Mahershala Ali) in Nerz-Mänteln unterwegs sind, ein Symbol des wirtschaftlichen Aufstiegs. Doch an der Stelle ist auch schon Schluss. Trotz der Beteiligung von NZA, der den Soundtrack komponierte, ist Musik hier erstaunlich unwichtig.
Das liegt natürlich auch darin begründet, dass Shanté dadurch zwar zu einem Phänomen wurde, es aber zu keiner nennenswerte Karriere reichte. Als 1989 ihr erstes Album Bad Sister erschien, war sie bereits zu einer Randerscheinung verkümmert. Dabei wäre es interessant gewesen, mehr über diese sogenannten „Roxanne Wars“ zu hören: Mehrere Dutzend Singles wurden im Laufe des nächsten Jahres produziert, in denen UTFO, Shanté oder auch Trittbrettfahrer das Leben der fiktiven Roxanne aufgriffen und fortspannen.
Eine Frau in einer männerdominierten Welt
Anstatt Shanté als Teil dieser Bewegung zu präsentieren, interessiert sich Larnell jedoch stärker für die biografischen Hintergründe. Wer war die junge Frau? Wo kam sie her? Was trieb sie an? Die Antworten darauf sind weniger spannend im Vergleich zu den doch recht speziellen Kampfgesängen. Roxanne Roxanne konzentriert sich vor allem auf die Rolle des Mannes in ihrem Leben bzw. dem ihrer Familie. Ein einschneidendes Erlebnis: Ihre Mutter Peggy hatte lange darauf hingespart, sich ein Häuschen für ihre Familie leisten zu können. Doch dann machte sich ihr Partner mit dem Geld aus dem Staub. Es ist nicht das einzige Beispiel, wie Männer der New Yorker Familie übel mitspielte, Peggy lässt es sich auch nicht nehmen, ihren Töchtern eine kleine Lektion erteilen zu wollen. Das Fazit: Traue niemals einem Mann!
Shantés Rap Battles, sowohl im Kleinen wie auch als Teil der Roxanne Wars, lassen sich daraus natürlich schon schlüssig ableiten. Ein Mädchen, das von früh an eingetrichtert bekommt, dass es sich auf niemanden verlassen kann, vor allem keinen Mann, das zudem von einer aufmüpfigen Natur ist – nicht die schlechteste Voraussetzung, um sich als Rapperin durchzusetzen. Während Chanté Adams in der Rolle dann auch überzeugt, eine Mischung aus rauer Naturgewalt und verunsichertem Mädchen, ist das inhaltlich auf Dauer doch ein bisschen einseitig. Die anderen Figuren dürfen nicht mehr als reine Stichwortgeber sein, unabhängig vom Geschlecht. Lediglich Mahershala Ali, letztes Jahr für Moonlight mit einer Oscar-Nominierung bedacht, sticht als ambivalent-verstörender Cross aus der gesichtslosen Masse hervor. Es fehlt auch die zündende Idee, um aus der Ansammlung von Anekdoten mehr machen zu können. Aber auch wenn Roxanne Roxanne etwas unbefriedigend ist, auf Figuren wie den erstaunlich geringen Musikteil bezogen, so bleibt doch ein grundsolides bis gutes Biopic, das atmosphärisch geglückt ist und zumindest in einer Szene einen doch recht ungewöhnlichen Einfall hat, wie sich Momentaufnahmen miteinander in Verbindung setzen lassen.
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