„Spell Reel“, Deutschland/Portugal/Frankreich/Guinea-Bissau, 2017
Regie: Filipa Cesar
Ehemalige portugiesische Kolonien, da dürften die meisten erst einmal an Brasilien denken, vielleicht auch an Angola, Mosambik oder Macau. Guinea-Bissau? Das werden eher wenige Leute auf dem Schirm haben. Und das, obwohl die Unabhängigkeit gar nicht so lange zurückliegt: Erst 1974 erkannte Portugal diese an. Sehr viel bekannter ist das westafrikanische Land, in dem knapp 1,9 Millionen Menschen heute leben, seither aber nicht geworden. Und auch der Aufschwung hält sich in Grenzen, auf dem UN-Index der menschlichen Entwicklung stand es zuletzt auf Rang 178 – von 188 teilnehmenden Ländern. Umso beeindruckender ist es, dass Guinea-Bissau es überhaupt schaffte, sich in dem elf Jahre andauernden Guerilla-Krieg von den Kolonisten zu befreien.
Spell Reel erzählt von diesem Krieg, tut es aber auf eine etwas andere Weise. Und über Umwege. Grundlage des Dokumentarfilms liefern Aufnahmen von Sana na N’Hada und Flora Gomes, die seinerzeit selbst bei den Freiheitskämpfen mitmachten. Anschließend gingen die Aufnahmen verloren, erst 2011 tauchten sie wieder auf. Die portugiesische Regisseurin Filipa César nahm nun dieses aufbereitete Material, reiste mit N’Hada und Gomes an die im Film gezeigten Orte und führte die Filme dort öffentlich aus – kommentiert durch die beiden Kollegen.
Kriegs-Doku und Meta-Doku in einem
Das Ergebnis ist ein Film, der sich wenig jeglicher Kategorisierung verweigert. Mal besteht Spell Reel aus Originalaufnahmen. Mal werden sie als Bild im Bild gezeigt, Vergangenheit und Gegenwart in Einklang gebracht. An anderen Stellen laufen Texte an den Aufnahmen vorbei, erläutern sie oder geben ihnen im übertragenen Sinne einen Kontext. Spannend ist die Doku, welche 2017 auf der Berlinale gezeigt wurde, gleich auf mehrere Weise. Spannend beispielsweise, weil sie etwas über die Hintergründe von den Kämpfen erzählt, von denen der Rest der Welt nur wenig mitbekommen hat. Dass die Portugiesen Wetter- und Tieraufnahmen nutzten, um die Guerillakämpfer in den Dschungel zu locken, das ist dann doch eine eher seltener gebrauchte Kriegstaktik.
Aber auch über die historisch-martialische Komponente hinaus hat Spell Reel einiges zu erzählen. Da wäre der Umgang mit der eigenen Vergangenheit und wie der Film diese wiedergeben oder auch formen kann. Zudem bietet der formal ungewöhnliche Film einen Einblick in die Archivierungsarbeit von Zeitdokumenten. Das ist nicht immer schön anzusehen, spricht von Natur aus auch ein eher überschaubares Publikum an. Dieses darf aber dabei sein, wenn hier Geschichte rekonstruiert und dabei neu geschrieben wird.
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