Telekinese
© Netflix

Telekinese

„Yeom-lyeok“, Südkorea, 2018
Regie: Sang-ho Yeon; Drehbuch: Sang-ho Yeon; Musik: Young-gyu Jang
Darsteller: Seung-ryong Ryu, Eun-kyung Shim, Jung-min Park, Yu-mi Jung, Min-jae Kim

Telekinese
„Telekinese“ ist seit 25. April 2018 auf Netflix verfügbar

In ihrer Nachbarschaft ist Roo-mi Shin (Eun-kyung Shim) für ihre frittierten Hühnchen berühmt, der Andrang ist groß, Tag für Tag. Das Problem ist nur: Die Nachbarschaft wird es so bald nicht mehr geben. Ein Bauunternehmen hat sich die Gegend einverleibt und will die kleinen Läden abreißen, um ein großes Kaufhaus für Chinesen zu errichten. Kampflos wollen Roo-mi und die anderen aber nicht aufgeben. Mit fatalen Folgen: Als ein Schlägertrupp alles kurz und klein hauen will, wird ihre Mutter tödlich verletzt. Währenddessen macht ihr Vater Seok-heon (Seung-ryong Ryu), der die Familie vor zehn Jahren verlassen hat, eine eigenartige Erfahrung. Das Quellwasser, von dem er nach einer Joggingrunde trinkt, enthält Spuren eines kürzlich abgestürzten Meteorits. Daraufhin entwickelt der einfache Sicherheitsmann telekinetische Kräfte, die er bald sehr gut gebrauchen kann.

Das Leben steckt doch immer wieder voller Überraschungen. Das gilt nicht nur für unbedeutende Männer mittleren Alters, die eines Tages die Fähigkeit erhalten, Autos durch die Luft zu werfen. Manchmal reicht es, einfach vor dem Fernseher zu sitzen und den neuen Film von Sang-ho Yeon anzuschauen. Bekannt geworden ist der Südkoreaner durch gesellschaftskritische, äußerst bittere Animationsfilme (The King of Pigs, The Fake), bevor er sich mit dem Zombiefilm Train to Busan erfolgreich dem Blockbusterkino zugewendet hat. Und nun das.

Kein Platz im Kino
Daheim war Telekinese, international auch als Psychokinesis bekannt, eine kommerzielle Enttäuschung. Wo Train to Busan noch Geschichte schrieb als erster Film Südkoreas mit über zehn Millionen Besuchern, war es hier nicht einmal ein Zehntel davon. Zumal der Rest der Welt in der Hinsicht nicht viel beitragen wird, wo das neueste Werk des Regisseurs und Drehbuchautors lediglich auf Netflix erscheint. Der ganz große Verlust wird das nicht für die Kinos sein. Künstlerisch zumindest ist er es nicht.

Dabei greift Telekinese auf Elemente zurück, welche die vorangegangenen Werke von Yeon so sehenswert machten. Die gesellschaftskritischen Tendenzen sind noch immer vorhanden, diesmal sind es Großunternehmen, die an den Pranger gestellt werden. Mit unverhohlener Geringschätzung von Menschenrechten kämpfen sie um ihre Profite, setzen sich über alles und jeden hinweg. Und sie sind nicht allein, Unterstützung erhalten sie später von der Polizei. Auf der einen Seite die übermächtige Wirtschaft und der Staat, auf der anderen Seite die im Stich gelassenen kleinen Leute – doch, das passt ins Profil des Südkoreaners.

Ein großer, absurder Kampf
Der Unterschied ist jedoch, dass Yeon hier nahezu auf jedes Drama verzichtet und stattdessen eine fast lupenreine Komödie gedreht hat. Und das dürften nur die wenigsten erwartet haben. Teilweise ist die recht komisch geworden. Ein Verlierer, der plötzlich übermenschliche Kräfte hat, da sind Lacher praktisch im Set bereits enthalten. Umso mehr, wenn der Protagonist überhaupt nicht vorhat, ein Held zu sein. Das ist bei der aktuellen Flut von Superhelden am ehesten noch mit Ant-Man zu vergleichen, der seine Fähigkeiten ebenfalls lieber zur persönlichen Bereicherung nutzen würde. Nur dass Seok-heon kein Sixpack-Beau mit Lausbubencharme ist, sondern jemand, den man auf der Straße kaum je bemerken würde. An manchen Stellen könnte man sogar fast meinen, Telekinese wäre eine Parodie auf die oben genannten Filme.

So weit wollte Yeon dann aber doch nicht gehen. Hin und wieder verwöhnt er das Publikum mit kleinen absurden Einfällen. Ein Großteil von Telekinese ist jedoch erstaunlich – und enttäuschend – albernen Harmlosigkeiten vorbehalten. Überraschungen sind ohnehin nicht eingeplant, der Film klappert brav all die Stationen ab, die bei diesem Szenario zu erwarten sind. Das ist nett, durchaus. Gerade die obligatorische Annäherung von Vater und Tochter füttert die Herzen der Zuschauer, der Kampf David gegen Goliath ist ohnehin immer ein Crowdpleaser. Bei einem Mann, dessen erste Werke aber das genaue Gegenteil von Letzterem waren, ist eine solche typische Netflix-Berieselung aber eine Verschwendung von Zeit und Talent.



(Anzeige)

Bei seinem neuesten Film bleibt Sang-ho Yeon zwar grundsätzlich seinen gesellschaftskritischen Tendenzen treu, tut dies jedoch in Form einer Komödie anstatt eines bitteren Dramas. Teilweise ist „Telekinese“ dann auch lustig, die Geschichte um eine Nachbarschaft, die sich gegen ein böses Unternehmen wehrt, zudem ein Crowdpleaser. Aufgrund fehlender Überraschungen und der Häufung harmloser Albernheiten ist das Ergebnis dennoch eine Enttäuschung.
5
von 10