Weather House

Weather House

„Weather House“, Deutschland, 2017
Regie: Frauke Havemann, Eric Schefter; DrehbuchMark Johnson
Darsteller: Inga Dietrich, Erik Hansen, Sabine Hertling, Charles McDaniel, Jack Rath

Weather House
„Weather House“ ist ab 16. April 2018 auf realeyz verfügbar

Schubladen sind eine praktische Sache. Man kann in ihnen alles mögliche aufbewahren, um das eigene Leben ordentlicher erscheinen zu lassen, als es eigentlich ist. Der Inhalt einer Schublade muss dabei nicht einmal zwangsweise zusammenpassen. Sieht ja eh keiner. Problematisch wird es aber, wenn die Sachen, die wir darin verstauen wollen, irgendwie zu groß, zu sperrig, zu unförmig sind, wir die Schublade nicht mehr schließen können. Oder wenn wir nicht einmal sicher sind, ob die Schublade zu dem Möbelstück gehört.

Weather House ist so ein Fall, bei dem die größte Schublade an ihre Grenzen stößt. Was bemerkenswert ist, da es hier eigentlich keine Grenzen gibt. Außer denen des Hauses. Manchmal. Drama steht da bei den Genres auf imdb. Eine der nützlichsten Filmschubladen, da man es auf nahezu alles anwenden kann, was Protagonisten hat. Und die hat Weather House ja. Auch wenn man nicht weiß, wer sie sind, was sie da tun, warum sie tun, was sie da tun oder auch nicht tun.

„What is he doing?“
„He’s watching. He’s keeping watch. “
„Why?“
„He’s good at it.“

Immerhin: Es ist eine Form von Interaktion, die wir hier sehen. Selbstverständlich ist das nicht. Nicht in diesem Haus. Das Wetter spielt verrückt, irgendwo da draußen. Das wissen wir, wenn wir die Nachrichten ansehen oder auch die offizielle Kurzzusammenfassung des Films lesen. Ein bisschen sehen wir auch davon in Weather House, wobei die diversen Naturaufnahmen eigentlich zu schön sind, um als Katastrophe durchzugehen.

Verwirrend wird es durch die Leute, die in dem Haus ein und ausgehen, manchmal auf das Wetter reagieren, manchmal auf die anderen und manchmal in einer ganz eigenen Welt zu leben scheinen, die ohne rechten Zusammenhang zu dem Rest steht. Das erinnert zuweilen an den nicht minder surrealen polnischen Kollegen Office for Monument Construction, in dem eine Reihe von Menschen Rituale pflegen, die sich verselbständigt haben. Denn auch hier folgen die Menschen Tätigkeiten, um mit einer Situation fertigzuwerden, die sie selbst gar nicht zu fassen bekommen.

Das ruhige Grauen der hoffnungslosen Fragen
Die Stimmung ist jedoch weniger melancholisch, auch wenn die langgezogenen schweigenden Kamerafahrten einiges dafür tun, dass wir uns hier verloren fühlen. Im Stich gelassen. Vielmehr haben die Co-Regisseure Frauke Havemann und Eric Schefter ein filmisches Monster erschaffen, das verunsichert, vielleicht sogar verängstigt. Ein Horrorfilm über eine Gruppe von Menschen, die nach der Apokalypse in einem Haus eingesperrt sind. Woher die Bedrohung kommt, das bleibt jedoch offen. Vielleicht ist es das Wetter, das sich unserer Kontrolle entzieht, auch wenn die Leute einiges dafür tun, es mithilfe von Messungen wieder einzufangen. Oder zumindest wieder in die Schublade zu packen.

So lange sich diese aber nicht schließt, bleibt alles möglich. Vielleicht kommen ja demnächst noch Zombies vorbei, das Setting würde sich anbieten. Oder sind es doch nur Menschen? Zumindest sind sie tot, so heißt es hier. Wohin die Leichen sollen, wird an einer Stelle gefragt. Dorthin, wo sie immer hinkommen, lautet die Antwort, die beruhigt – wenigstens etwas hier hat noch seinen Platz! – und dabei doch beunruhigt. Denn warum sich da Leichen stapeln, wer die Toten sind, das ist eine Frage, die schon lange niemand mehr stellt. Vielleicht weil sie die Antworten wissen. Vielleicht weil sie sie nicht wissen, nicht wissen wollen. Als Zuschauer ist das ebenso befremdlich wie faszinierend, furchterregend und doch auch irgendwie erheiternd. Für ein größeres Publikum ist das avantgardistische Werk, das im Rahmen des Achtung Berlin Filmfests 2018 läuft und anschließend auf der Indie-Plattform realeyz.de zu sehen sein wird, natürlich nichts. Auch nicht für Menschen, die gerne ihre Schubladen polieren. Wer Letztere aber zu ignorieren weiß, darf sich auf eine etwas andere Seherfahrung freuen, in die man alles hineininterpretieren kann, ohne das Haus verlassen zu müssen. Das eigene und das der anderen.



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Das Wetter muss verrückt sein. Und die Menschen irgendwie auch. „Weather House“ versucht erst gar nicht, eine reguläre Geschichte zu erzählen und das Publikum mitzunehmen. Stattdessen darf sich jeder angesichts des absurden Treibens selbst einen Reim darauf machen, was die Leute in diesem abgelegenen Haus so treiben – mit komischen, verwirrenden, manchmal gar erschreckendem Ergebnis.