„Zeit für Utopien“, Österreich, 2018
Regie: Kurt Langbein
Es ist schon eine steile These, die da in Zeit für Utopien im Mittelpunkt steht: Der Kapitalismus steht vor dem Aus, weil er in einer endlichen Welt grundsätzlich nicht funktionieren kann. Das haben natürlich auch andere schon behauptet. Aber so wie die einen grundsätzlich alles verteufeln, was mit Kapitalismus, Geld, Profit und Globalisierung zu tun haben, so gebetsmühlenartig wiederholt die Gegenseite, dass nur durch Globalisierung die Welt gerettet werden kann. Und was nun?
Immerhin, Kurt Langbein begnügt sich nicht damit, vergleichbar zu anderen Dokumentarfilmen zu dem Thema einfach nur über die bösen Unternehmen zu schimpfen. Er hat auch Alternativen auf Lager, wie man es anders machen kann. Diverse sogar, auf der ganzen Welt verteilt. Ob lokale Bauern in Südkorea gestützt werden, die Schweizer eine automobilfreie Gemeinschaftsanlage bewohnen oder im Kongo nach Möglichkeiten gesucht wird, auf faire Weise Metalle für Smartphones abzubauen, die Ansätze sind da.
Gemeinsam geht alles!
Einiges davon wirkt altmodisch, anderes sehr fortschrittlich. Sie alle aber gehen davon aus, dass nur durch Zusammenarbeit und respektvollen Umgang die Welt, wie wir sie kennen, vor ihrem Untergang bewahrt werden kann. Das klingt einleuchtend. Einleuchtender als die vertretene Meinung, dass gegenseitiges Helfen im Menschen angelegt sei, es die natürlichere Reaktion sei. Dass dies ausgerechnet zu einer Zeit behauptet wird, in der Nationalismus und rechtes Gedankengut weltweit auf dem Vormarsch ist und auch nicht vor Präsidentensesseln Halt macht, das mag man dann als schön und beruhigend empfinden. Oder als ziemlich weltfremd.
Auch an anderen Stellen meldet sich der innere Zyniker zu Wort. Wenn beispielsweise an einer Stelle ein südkoreanischer Lebensmittelladen gezeigt wird, der ausschließlich saisonale Bioware aus der Region verkauft, dann hört sich das toll an. Aber zum einen wird die Frage völlig offengelassen, wie erschwinglich diese Lebensmittel denn sind. So wichtig es natürlich ist, die Arbeit von Landwirten aufzuwerten und entsprechend zu entlohnen, jemand muss dafür auch den Preis bezahlen. Wenn nachhaltige Lebensmittel jedoch zu einer Luxusware werden, zu etwas, an dem gar nicht alle teilhaben können – was notwendig wäre für einen echten Wandel –, dann ist durch die Idee nur wenig gewonnen.
… aber stimmt das dann auch?
Zumal ein anderes Problem bleibt: Nur weil etwas sich gut anhört, ist es das nicht automatisch. Kürzlich zeigte eine andere Dokumentation Die grüne Lüge, dass mit dem schlechten Gewissen der Menschen mittlerweile kräftig Kasse gemacht wird. Da werden tolle Labels auf ein Produkt geklebt, die zwar ohne wirkliche Aussage sind, sofern sie nicht sogar dreist lügen. Aber dem Konsumenten geht es gut, er hat ja was für die Welt getan. Nur dass die Welt nichts davon mitbekommt. An vielen Stellen ist es hier dann auch schwer zu sagen, inwiefern sich die Lobeshymnen der Organisationen von denen der Unternehmen entscheiden, die ja ebenfalls für sich in Anspruch nehmen, alles ganz nachhaltig zu machen. Mit ähnlichen Bildern auch: Gerade der Part mit der Schweizer Gemeinschaftsanlage ist ein bisschen zu perfekt, zu unwirklich.
Aber auch wenn es schön gewesen wäre, sich hier noch etwas kritischer mit den Behauptungen auseinanderzusetzen, zu überprüfen, ob die Utopien des Titels eine wirkliche Chance auf Umsetzung haben, als Denkanstoß dient der Dokumentarfilm durchaus. Schließlich ist es der gedankenlose Konsum, seien es nun Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände wie Smartphones oder auch Reisen, der uns erst in diese Bredouille gebracht hat. Wenn das Publikum aus den verschiedenen Alternativen zumindest Ansätze für sich übernimmt und sich etwas bewusster mit dem eigenen Verhalten auseinandersetzt, dann ist dadurch ja schon mal einiges gewonnen.
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