„Back for Good“, Deutschland, 2017
Regie: Mia Spengler; Drehbuch: Mia Spengler, Stefanie Schmitz; Musik: Marc Fragstein
Darsteller: Kim Riedle, Leonie Wesselow, Juliane Köhler
Von Beruf aus ist Angie (Kim Riedle) eigentlich Promi. Was anderes kann sie nicht, hat sie nie gemacht. Doch zuletzt droht der ihr so wichtige Ruhm zu verblassen, ein Auftritt im Dschungelcamp muss her! Dafür hat sie sogar erfolgreich eine Entziehungskur hinter sich gebracht. Geld hat sie jedoch keins, weshalb sie erst einmal wieder bei ihrer Mutter Monika (Juliane Köhler) und Schwester Kiki (Leonie Wesselow) einzieht. Zuletzt war der Kontakt eher spärlich gewesen, auch weil sich Angie mit ihrer Mutter nie gut verstanden hat. Als sie wieder daheim ist, kracht es dann auch kräftig. Einige Dinge haben sich eben nicht verändert, andere dafür umso mehr.
Filme versuchen oft, das Publikum einzubinden, indem Protagonisten als Sympathieträger und Identifikationsfiguren aufgebaut werden. Wer sich in den Leuten auf der Leinwand wiederfindet oder gern Zeit mit ihnen verbringen würde, der hat auch mehr Anteil an deren Schicksal – so die nachzuvollziehende Überlegung. Mia Spengler hatte daran aber wohl weniger Interesse, als sie Back for Good gedreht hat. Denn irgendwie schaffte es die Regisseurin und Co-Autorin die wohl bewusst unsympathischsten Charaktere zu entwerfen, die man in der letzten Zeit im deutschen Kino gesehen hat.
Ein Mutter-Tochter-Gespann zum Wegschauen
Angie selbst ist die Verkörperung jener Möchtegernpromis, deren einziges Talent das der Selbstvermarktung ist. Die auch an nichts anderem Interesse haben, als im Blitzlicht zu stehen und bewundert zu werden, egal wofür. Ein Öffentlichkeitsparasit, so peinlich in den Versuchen, Aufmerksamkeit zu erregen, das man diesem grundsätzlich schon ein kräftiges Scheitern wünscht. Und doch, Back for Good stellt ihr mit der kontrollsüchtigen Mutter ein nicht minder anstrengendes Gegenstück gegenüber, mit dem man freiwillig keine Wohnung teilen wollte. Umso mehr Mitleid hat man zwangsläufig mit Kiki, die nicht nur mit den beiden gestraft ist, sondern auch mit mobbenden Mitschülern und Epilepsie.
Das ist natürlich ein bisschen viel, nicht nur für einen jungen Menschen, der gerade seinen Platz im Leben sucht. Auch als Zuschauer fühlt man sich zuweilen etwas erschlagen von den vielen Krisen, Problemen, Anfeindungen und dunklen Geheimnissen. Spengler gelingt es aber insgesamt doch ganz gut, ihren Film im Zaun zu halten. Der Hang zur Übertreibung wird genutzt, um auch ein bisschen was zu unserem Alltag und der Gesellschaft zu sagen. Eben nicht nur, um über C-Promis herzuziehen.
Sind wir nicht alle ein bisschen ruhmgeil?
Wenn sich beispielsweise Kiki an einem YouTube-Channel versucht, dann ist das nicht so weit entfernt von dem, was ihre ältere Schwester macht. Kleine Line-Dance-Auftritte auf der einen Seite, Outfits aus dem Prostitutionsalltag auf der anderen – der Wunsch nach Anerkennung und Aufmerksamkeit lässt sich in beidem wiederfinden. Gleiches gilt für Kikis Mitschülerin, deren Popularität auch mit ihren abfälligen Beiträgen über andere zu tun hat. Denn auch darin kann Ruhm bestehen: sich über andere lustig machen. Das ist auch eines der beiden wiederkehrenden Themen von Back for Good: Was bin ich bereit zu tun, um Aufmerksamkeit von anderen zu bekommen? An manchen Stellen nimmt das absurde und komische Formen an, die diversen Überlegungen von Angie beispielsweise, wieder in die Nachrichten zu kommen. Aber es ist oft doch eben auch tragisch, wozu sich die Menschen hier erniedrigen.
Das andere Thema betrifft Familie. Aussuchen kann man sie sich nicht, wie das Trio mehrfach feststellt. Man kann aber zumindest versuchen miteinander auszukommen. Wenn sich Angie aufgrund diverser Umstände als Ersatzmami versucht, dann auf eine rührend unbeholfene Weise. Kim Riedle, die hierfür immerhin eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis erhielt, gelingt der Balanceakt zwischen gelebter Oberflächlichkeit und dem ehrlichen Versuch, für Kiki da zu sein. Das geht naturgemäß nicht alles gut aus, dafür ist die Familie auch viel zu kaputt. Aber es macht doch Spaß dabei zuzusehen, wie zumindest bemüht wird, wieder zusammenzufinden und es in Zukunft vielleicht besser zu machen.
(Anzeige)