„The Last Dalai Lama?“, USA, 2016
Regie: Mickey Lemle
Man stelle sich vor, die italienische Regierung würde eines Tages verkünden, in Zukunft ein Wort mitreden zu wollen, wer der nächste Sohn Gottes ist. Schließlich befinde sich der Vatikan ja auf italienischem Boden. Absurd? Sicher. Aber etwas ganz ähnliches ist mittlerweile in Tibet eingetreten. Seitdem China 1949 das zentralasiatische Hochland zwangsintegriert hat, kontrolliert es alles, was dort vor sich geht. Presse- und Religionsfreiheit gibt es nicht, Menschenrechte sind ebenfalls gering, notfalls wird mit Gewalt jeder Versuch der Emanzipation unterdrückt.
Vor allem ein Mann ist dem Reich der Mitte ein Dorn im Auge: Der buddhistische Mönch Tendzin Gyatso, als 14. Dalai-Lama das spirituelle Oberhaupt des Landes und Symbolfigur einer eigenständigen Kultur. Wann immer ausländische Regierungen sich mit ihm treffen oder ihn auch nur erwähnen, gibt es mächtig Stunk. Am liebsten würde man den unliebsamen Mönch totschweigen und darauf warten, dass die Zeit die Drecksarbeit übernimmt – schließlich ist er mittlerweile schon 82 Jahre alt.
Dann lieber keinen mehr …
Der Titel der Dokumentation deutet dabei an, dass es anschließend aber womöglich keinen weiteren Dalai-Lama geben wird, keine weitere Reinkarnation eines universellen Mitgefühls. Schließlich will China in Zukunft mitbestimmen, wer das sein darf, um so den Unruheherd besser überwachen zu können. Das wiederum sieht der amtierende Dalai-Lama nicht ein – aus verständlichen Gründen. Mickey Lemle, der schon vor 25 Jahren einen Film über Gyatso gedreht hat, erklärt in Der letzte Dalai Lama? kurz die Situation des unterdrückten Volkes, will ansonsten aber vor allem über den Dalai-Lama selbst reden.
Das gelingt ihm mal besser, mal schlechter. Das größte Problem von Der letzte Dalai Lama? ist eines, das so viele solcher Doku-Porträts plagt: Sie erstarren geradezu in Ehrfurcht. Nur wenig hier dient der ausschließlichen Information über seinen Protagonisten. Oftmals sind es eher Lobpreisungen aus den Mündern anderer. Wenn sich Lemle mit anderen Leuten über den Dalai-Lama unterhält, dann ist das eine wenig abwechslungsreiche Mischung aus Huldigung und Verdammnis Chinas.
Zu wenig Gründe für Ehrfurcht
Beide Meinungen darf man vertreten, kaum einer würde die guten Absichten des Friedensnobelpreisträgers in Abrede stellen wollen. Als Film ist das auf Dauer aber etwas wenig. Interessanter sind da die Aussagen von Gyatso selbst, der sich als jähzornig bezeichnet, vieles relativiert, was andere über ihn sagen und sich ansonsten für ein harmonisches Miteinander ausspricht – in einer Mischung aus Idealismus und Lausbubencharme, wenn er sein schelmisches Lächeln aufsetzt.
Für diese Szenen lohnt sich Der letzte Dalai Lama? dann auch, gibt der Dokumentarfilm doch zumindest eine kleine Vorstellung des Oberhaupts. Dazu gibt es ein paar historische Aufnahmen aus Tibet, die das Bedürfnis nach Exotik befriedigen. So richtig viel Aussagekraft hat das hier dennoch nicht, setzt sich nicht genügend mit den Themen oder dem porträtierten Menschen auseinander. Ein Werk, das viel von Ehrfurcht spricht und selbst von Ehrfurcht ergriffen ist, aber zu wenig Gründe liefert, es ihm gleichzutun.
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