„Los ojos del camino“, Peru, 2017
Regie: Rodrigo Otero Heraud
Peru ist eines dieser südamerikanischen Länder, die es irgendwie nie in die Nachrichten schaffen. Weder ist es eine aufstrebende Wirtschaftsmacht noch ein Fußballgigant, macht nicht durch Diktatoren oder Partymeilen auf sich aufmerksam. Was das immerhin neunzehntgrößte Land der Welt auszeichnet, ist jedoch seine vielfältige Natur, die von Bergen über Steppen bis zu Regenwald reicht, sowie die reichhaltige Geschichte indigener Völker, die dort einmal lebten und es zum Teil immer noch tun.
In beides gewährt Regisseur Rodrigo Otero Heraud bei seinem ersten längeren Dokumentarfilm Einblick. Genauer begleiten wir ihn, während er dem Heiler Hipólito Peralta Ccama durch das Land folgt. Das bedeutet zum einen wundervolle Naturaufnahmen zu sehen, von Gegenden, die den Eindruck erwecken, als wäre noch nie ein Mensch hier gewesen. Es bedeutet aber auch, Peraltas Ausführungen zu der beseelten Natur zu lauschen. Das Wasser, Steine, der Boden, die Berge – sie alle sind in Die Augen des Weges göttlichen Ursprungs, Teil einer ursprünglichen Weltsicht und Religion.
Lasst uns eine Pause einlegen
Dafür kann man empfänglich sein oder nicht, die vielen Monologe des Peruaners sind oft selbstvergessen-esoterischer Natur und bemüht, etwas über das Wesen des Menschen mitzuteilen. Gleichzeitig ist es aber auch entspannend, geradezu meditativ, ihm zuzuhören, in eine andere Welt einzutauchen, während wir durch die Berge wandern, unglaubliche Ausblicke genießen, uns am klaren Wasser laben. Die Augen des Weges lädt dazu ein, einmal innezuhalten, den Alltag und den Stress irgendwo da draußen zu lassen und uns wieder auf Wesentlicheres zu konzentrieren.
Sonderlich informativ ist der Dokumentarfilm hingegen nicht, über das Land als solches erfährt man so gut wie nichts. Nur selten kommt hier mal jemand anderes zu Wort, der Peraltas geistlichen Ausführungen etwas Handfestes zur Seite stellen könnte. Nur selten erhalten wir Einblick in das Leben der Menschen, die dort wohnen, als Ahnen der ursprünglichen Völker. Das, was uns Heraud zeigt, steht jedoch im Einklang mit den Überzeugungen des Heilers. Die kleinen Dörfer, die wir unterwegs passieren, sind noch um Gemeinschaft und Harmonie bemüht. Die Leute helfen einander, treten als Einheit auf, in der jeder auf den anderen aufpasst und notfalls mit Essen versorgt.
Der zeitlose Anfang vom Ende
Aber es ist auch eine Welt, die dem Untergang geweiht ist. Zwar ist in Peru der Anteil der Ureinwohner nach wie vor groß – knapp die Hälfte der 32 Millionen Menschen wird zu dieser Ethnie gezählt –, doch die Traditionen verschwinden dennoch. Immer mehr ziehen in die Städte, die Kulturen vermischen sich mit denen der anderen. Vor allem der Einfluss christlicher Sekten soll den alten Naturüberzeugungen inzwischen stark zusetzen. Die Augen des Weges ist daher kein reines Wohlfühlprogramm, sondern blickt auch mit Sorge und Trauer auf eine allmählich verschwindende Kultur.
Ob das Ganze überhaupt noch als Dokumentarfilm durchgeht, darüber ließe sich streiten. Wer mehr über das Leben der indigenen Völker erfahren möchte, der wird hier eher weniger fündig. Die Augen des Weges ist keine rationale Darstellung, sondern eine traumartige Annäherung, die mit fantastischen bis exotischen Bildern eine der ungewöhnlicheren Kinoerfahrungen der letzten Zeit ist. Und ein Plädoyer, andere Wege einzuschlagen, sie mit anderen Augen zu sehen lernen.
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