„The Rachel Divide“, USA, 2018
Regie: Laura Brownson
Dass wir von der Gleichbehandlung der Rassen auch mehr als 150 Jahre nach dem Ende der Sklaverei noch weit entfernt sind, das ist nun wirklich kein großes Geheimnis. Vor allem aus den USA erreichen uns immer wieder groteske bis erschütternde Nachrichten, wie Schwarze diskriminiert werden: Mal dürfen sie nicht in einem Starbucks warten, oft sind sie für Polizisten Freiwild, das wegen nichtiger Gründe erschossen wird. So manch einer dürfte sich daher schon mal gewünscht haben, nicht schwarz zu sein, als Weißer ein ganz normales Leben führen zu dürfen.
Entsprechend scharf waren auch die Reaktionen der Black Community auf Rachel Dolezal, bis heute ist sie eine im besten Fall belächelte, oft abgrundtief Zielfigur. Dabei hatte sie sich einst stark für die Belange der Minderheiten eingesetzt, war Lehrbeauftragte für afrikanische und afroamerikanische Studien und sogar Präsidentin einer lokalen Abteilung der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP). Eine Freundin der Schwarzen also.
Es ist nicht alles schwarz und weiß
Dolezal wollte jedoch noch mehr. Sie wollte selbst schwarz sein und gab sich auch als solche aus. Das sorgte anfangs für Verwunderung, später für einen handfesten Skandal, als herauskam: Ihre Familie ist durch und durch weiß. Ihren Posten bei der NAACP war sie daraufhin los, der Lehrauftrag wurde nicht verlängert. Erschwerend kam hinzu, dass auch andere Behauptungen von ihr sich als nicht tragbar erwiesen, ihre eigenen Eltern bezeichneten sie vor der Presse als Lügner.
Die Netflix-Dokumentation Die Geschichte der Rachel Dolezal zeichnet den Weg Rachels nach, begleitet sie im Alltag, lässt sowohl sie wie auch ihre Gegner zu Wort kommen. Und das sind einige. Ob sie nun einen Vortrag hält oder ein Interview gibt, es dauert nicht lange, bis sie wüste Beschimpfungen aus allen Ecken und Enden erreichen. Das ist verständlich, keine Frage. Als wäre es nicht schlimm genug, systematisch diskriminiert zu werden, kommt hierbei noch das Gefühl hinzu, der eigenen Kultur beraubt zu werden – ein Vorwurf, der bis heute auch Elvis Presley gemacht wird (siehe The King – Mit Elvis durch Amerika). Eine Hautfarbe, die Millionen von Menschen Leid gebracht hat, als Dekoelement? Das zeugt nicht gerade von Einfühlungsvermögen.
Spannende Fragen ohne echte Antwort
Während die Frage, warum die Geschichte der angeblichen Schwarzen so heftige Reaktionen hervorrief, relativ leicht zu beantworten ist, sind zwei andere deutlich spannender. Warum sollte ein Mensch schwarz sein wollen, obwohl es erst einmal nur Nachteile in der Gesellschaft mit sich bringt? Und ist das überhaupt möglich, sich als Mitglied einer anderen Rasse zu fühlen? Die erste wird in der Dokumentation zumindest teilweise beantwortet, indem auf die Vorgeschichte von Dolezal eingegangen wird, die traurige Zeit bei einer streng gläubigen, nicht unbedingt liebevollen Familie. Jemand anderes sein zu wollen, um dem zu entkommen, das ist als individuelles Schicksal durchaus bewegend. So wie es einige bewegende Momente in Die Geschichte der Rachel Dolezal gibt, gerade auch auf die Kinder von Rachel bezogen, die besonders unter den öffentlichen Anfeindungen zu leiden haben.
Der grundsätzliche Aspekt, ob es eine Rassenidentität gibt und diese losgelöst von der biologischen Herkunft existieren kann – vergleichbar zu einer Transsexualität, in der körperliches und empfundenes Geschlecht nicht übereinstimmen –, der kommt dabei jedoch zu kurz. Hin und wieder versucht Dolezal diese Debatte anzustoßen, auch um sich zu rechtfertigen. Diese geht jedoch gleich wieder in Tränen und wütenden Attacken unter. Die Geschichte der Rachel Dolezal bleibt auf diese Weise eher unbefriedigend, verkommt zu sehr zu der Kuriosität, die viele in der Frau sehen bzw. sehen wollen. Als kleiner Denkanstoß ist das Ganze aber durchaus interessant, gerade auch für hiesige Zuschauer, die von dem in den USA kontrovers aufgenommenen Fall nichts mitbekommen haben.
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