Directions
© Arktis Film Production

Directions – Geschichten einer Nacht

„Posoki – Directions“, Bulgarien/Deutschland/Mazedonien, 2017
Regie: Stephan Komandarev; Drehbuch: Stephan Komandarev, Simeon Ventsislavov
Darsteller: Vassil Vassilev-Zuek, Assen Blatechki, Vasil Banov, Irini Jambonas

Directions
„Directions – Geschichten einer Nacht“ läuft ab 10. Mai 2018 im Kino

Er würde nicht glauben, welche Leute jede Nacht so in ihr Taxi steigen, sagt Rada (Irini Jambonas) an einer Stelle zu ihrem Fahrgast. Sie ist eine von vielen, die Regisseur und Co-Autor Stephan Komandarev im Laufe seines Films durch die bulgarische Hauptstadt Sofia schickt, immer auf der Suche nach Kunden, Geld, einer Existenzgrundlage – und manchmal einem offenen Ohr. Dass Taxifahrer geradezu prädestiniert sind, etwas über die Menschen und die Gesellschaft zu sagen, das wissen Filmfans schon lange. Das bekannteste Beispiel ist sicher Night On Earth von Jim Jarmusch, das fünf Einzelgeschichten in ebenso vielen Städten erzählte. Aber auch das von Jafar Panahi heimlich und illegal gedrehte Taxi Teheran über Begegnungen in der iranischen Metropole sorgte zuletzt für Aufsehen.

Directions nimmt eine Art Zwischenposition ein: Wie der iranische Kollege spielt auch die bulgarische Fassung in nur einer Stadt, hat gleichzeitig wie das finnische Vorbild aber eine Reihe von Taxifahrern als Protagonisten. Gemeinsam mit den anderen Werken ist die Zufälligkeit von Komandarevs Geschichten, verbunden mit dem Anspruch, etwas Universelles über die Menschen aussagen zu wollen. Eine Taxifahrt ist hier nicht einfach nur eine Taxifahrt, sondern ist immer als Teil eines Gesamtbildes zu verstehen.

Bulgarien als Ort ohne Menschlichkeit
Schön ist dieses Bild sicher nicht, der bulgarische Filmemacher Komandarev zeigt eine düstere Version seiner Landsleute, eine Gesellschaft, in der so gut wie nichts wirklich gut ist. Es braucht dabei nicht einmal den Geschäftsmann, der seine Heimat verlassen hat, um in Wien eine neue Existenz aufzubauen, und der bei seiner Rückkehr nur Worte der Verachtung übrig hat. Denn er ist selbst Teil eines Problems, das Bulgarien plagt. Einer Reihe von Problemen sogar.

Korruption bis in die obersten Etagen, ein aufkommender Nationalismus – Rassismus Flüchtlingen gegenüber inklusive –, Ehebruch, Betrug, Gewalt bis hin zum Mord, dazu Armut und Prostitution, die bereits in der Schule beginnt, Directions lässt wirklich kein Thema aus, keinen möglichen Abgrund. Selbst wenn hier mal kein Verbrechen geschieht, berichtet das Drama von einer Gesellschaft, in der sich jeder selbst der nächste ist, das Zwischenmenschliche zunehmend verlorengeht. Immer wieder führt beispielsweise Taxifahrer Kosta (Vasil Banov) an, dass sein Sohn vor Kurzem verstorben ist. Doch niemand will ihm zuhören. Ein Running Gag, ohne das Lachen. Einer der traurigsten Momente eines ohnehin traurigen Films ist, wenn er Trost bei einem herrenlosen Hund sucht, den er zuvor mit seiner Pizza versorgt hat.

Der gelegentliche Hoffnungsschimmer
Beispiele, in denen die Menschen sich gegenseitig helfen, vielleicht auch einfach nur freundlich zueinander sind, die sind rar gesät und gehen damit umso stärker zu Herzen. Mal spendet ein Verlierer einem anderen Trost, mal trifft eine persönliche Geschichte auf ein verständnisvolles Ohr. Auf einen eindeutigen roten Faden verzichtet Komandarev, viele Episoden werden auch früh abgebrochen, noch bevor wir den Ausgang erfahren. Als verbindendes Element gibt es jedoch einen Vorfall, der sich zu Beginn zuträgt und auf clevere Weise den Rest des Films bestimmen wird – direkt oder als Gesprächsthema.

Zu besprechen gibt es in Directions, das seine Weltpremiere 2017 in der Nebensektion Un Certain Regard bei den Filmfestspielen von Cannes feierte, einiges. Manches davon ist ein bisschen ungeschickt vorgetragen, nicht jede der Zufälligkeiten ist in einem Rahmen der Zufälligkeit automatisch glaubwürdig. Die dramatische Zuspitzung verträgt sich nicht mit der über weite Strecken formulierten Alltäglichkeit der Ereignisse. Was als Querschnitt seines Heimatlandes hätte funktionieren können, wird so zu einer albtraumhaften Verzerrung. Aber eben auch einer sehr sehenswerten, die einen manchmal in den Arm nimmt, viel häufiger jedoch einen Schlag in die Magengrube versetzt und auch der vielen kleinen Details wegen sehenswert sind, die sich beim nächtlichen Vorbeifahren im Hintergrund verstecken.



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„Directions – Geschichten einer Nacht“ entführt uns in die bulgarische Hauptstadt Sofia und gibt mithilfe der Erlebnisse von Taxifahrern einen Einblick in das aktuelle Geschehen dort. Die dramatische Überspitzung ist nicht immer ganz glücklich. Aber das ist der Film ja auch nicht: Die episodenhafte Geschichte ist bewegend und erschreckend, lässt einen an den Menschen verzweifeln, gibt zwischendrin jedoch auch kleine Hoffnungsschimmer.
8
von 10