„Einen Sommer lang“, Deutschland, 2017
Regie: Georg Michael Fischer; Musik: Lukas Maier
Auch die längste Reise beginnt mit einem einzigen Schritt. Und diese Reise hier ist lang. Sehr lang. Vor allem wenn man sie zu Fuß zurücklegen will. Genau das hat sich Denis Wischniewski vorgenommen: In nur 50 Tagen will es der Münchner schaffen, von seiner Heimatstadt bis ins ferne Istanbul zu laufen. Da wird natürlich der eine oder andere fragen, warum man sich etwas Derartiges antun sollte. Vermutlich werden es sogar die meisten sein, die von dieser Geschichte erfahren.
Zu zweit ist man weniger allein
Um Ursachenforschung geht es in Einen Sommer lang jedoch nicht. Natürlich hat sich Regisseur Georg Michael Fischer, der Wischniewski während seines Laufes begleitet hat, immer wieder mit seinem Protagonisten unterhalten. Über den Plan, über das Leben, über Ziele und Motivationen. Richtig verständlich wurde das Unternehmen dadurch jedoch nicht. Wie auch, wenn der Läufer selbst sich oft genug fragt, was genau er denn da eigentlich tut?
Und doch ist es gerade dieser menschliche Aspekt, der den Dokumentarfilm auszeichnet. Denn Denis, Herausgeber der Fachzeitschrift Trail, ist nicht allein: Sein Vater begleitet ihn, fährt ihm im Auto hinterher, um ihn mit der notwendigen Ausrüstung und manchmal auch guten Ratschlägen zu versorgen. Oder zumindest gut gemeinten. Das Verhältnis zwischen den beiden war zuvor nicht das beste gewesen, im Laufe der Jahre hatten sie sich entfremdet. Geplant war die gemeinsame Aktion nicht. Aber man könne ihn ja nicht ganz allein diesen weiten Weg zurücklegen lassen, so die Begründung des Seniors, warum er mitging.
Streit und Versöhnung im Laufschritt
Einen Sommer lang, das seine Weltpremiere auf dem DOK.fest München 2018 feierte, lebt von der Auseinandersetzung der beiden, ist gleichzeitig die Geschichte eines langen Fußmarsches wie der einer langsamen Familienzusammenführung. Die ist nicht unbedingt immer schön, an einigen Stellen meint man, seinen Ohren kaum zu trauen. Und doch hat es etwas Rührendes an sich, wie sie sich zoffen und dabei doch wieder zueinanderfinden. Manchmal ist es sogar ziemlich witzig, beispielsweise wenn der Streit um den richtigen Weg aus heiterem Himmel eskaliert.
Gleiches gilt für die Begegnungen der zwei unterwegs: Mal sind die Reaktionen euphorisch, dann wieder ungläubig, ein Ereignis ist das Vater-Sohn-Gespann in jedem Fall. Zudem dürfen sich die Zuschauer auf einige schöne Bilder und interessante Perspektiven freuen, wenn der Lauf das Filmteam mitten durch Europa führt – durch Städte wie durchs Niemandsland. Dass Denis’ Vorhaben nicht ganz so endet, wie anfangs gedacht, ist einerseits tragisch, gleichzeitig aber auch sehr passend: Einen Sommer lang, das ist eben mehr als nur körperliche Betätigung. Es ist auch das Austesten von Grenzen, körperlichen wie mentalen, eigenen wie anderen. Es bedeutet sich auf einem langen Marsch zu suchen und an unerwarteten Orten zu finden.
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