Evil Genius
© Netflix

Evil Genius

„Evil Genius“, USA, 2018
Regie: Trey Borzillieri, Barbara Schroeder

Evil Genius
„Evil Genius“ ist seit 11. Mai 2018 auf Netflix verfügbar

Unser tägliches Verbrechen gib uns heute! Fasziniert von den Geschichten krimineller Machenschaften war das Publikum ja schon immer. Krimis und Thriller gehörten von Anfang an zu den beliebten Genres im Kino, im Fernsehen wird man geradezu überflutet mit Beispielen, wie Ermittler aus aller Welt Tätern auf der Spur sind – mal mit besonderen Fähigkeiten, außergewöhnlicher Intelligenz oder auch den neuesten modernen Ausrüstungen. Eher neuerer Natur sind die vielen Dokumentarsendungen, welche reale Verbrechen rekonstruieren. Nicht um auf diese Weise à la Aktenzeichen xy … ungelöst das Publikum einzubeziehen und im Idealfall neue Hinweise zu erlangen. Bei diesen True-Crime-Produktionen geht es in erster Linie um pure Unterhaltung.

Dafür braucht es aber natürlich etwas, das den Fall auch zu etwas Besonderem macht. Normale Diebstähle oder Morde ziehen nicht, die sind – gerade bei einem amerikanischen Publikum – viel zu sehr regulärer Alltag. Die Geschichte in Evil Genius ist so ein Sonderfall, der ungewöhnlich beginnt und sich im weiteren Verlauf immer weiter steigert. Hierzulande dürften eher wenige Leute vorher von den Ereignissen gehört haben, auch wenn die Dokuserie behauptet, sie wären weltweit in den Schlagzeilen gewesen. Aber Vorkenntnisse braucht es auch gar nicht, die Netflix-Produktion gibt einem alles mit, was man für ihr Verständnis braucht.

Tausche Bombe gegen 250.000 Dollar
Was war geschehen? Am 28. August 2003 betrat ein Mann namens Brian Wells eine Bank in Pennsylvania, eine selbstgebastelte Bombe um den Hals, mit einem als Spazierstock getarnten Gewehr in der Hand. 250.000 Dollar sollten ihm innerhalb von 15 Minuten ausgehändigt werden, ansonsten würde hier alles in die Luft fliegen. Die Zeit reichte aber nicht, um die Summe zusammenzubekommen, kurz drauf wurde er verhaftet. Noch während er in Haft war, explodierte die Bombe tatsächlich und tötete Wells. Zuvor hatte dieser aber behauptet, er sei zu dem Überfall gezwungen worden, sei selbst Geisel dieser Bombe gewesen.

So weit, so explosiv. Was den Fall und Evil Genius aber so interessant macht, ist dass da eben noch sehr viel mehr dahintersteckte. Kurios waren beispielsweise die sonstigen Anweisungen, die Wells erteilt wurden: Wenn er sich im Anschluss an einer Art Schnitzeljagd beteiligte und Aufgaben erfüllte, würde ihm am Ende die Bombe abgenommen. Daraus wurde bekanntlich nichts. Dafür aber tauchte kurz drauf eine weitere Leiche auf, die im Zusammenhang mit dem Banküberfall zu sein schien. Und das war nur der Anfang für eine ganze Reihe unvorhergesehener Ereignisse.

Konventionell und etwas lang
Die Serie zeichnet den Weg der Ermittlungen nach, beginnend bei dem spektakulären Überfall über das Auftauchen diverser Verdächtiger bis zu den jahrelangen Prozessen, die versuchten, aus dem Wirrwarr an Lügen und Indizien schlau zu werden. Die Umsetzung selbst ist relativ konventionell, besteht aus der üblichen Mischung aus aktuellen Interviews sowie historischen Aufnahmen, dazwischen gibt es kleinere Texteinblendungen. Auch an den chronologischen Gepflogenheiten ändern die Regisseure Trey Borzillieri und Barbara Schroeder nichts. Sie verlassen sich darauf, dass die Geschichte und vor allem die schillernden Figuren darin für sich selbst sprechen.

Das tun sie auch, die einen mehr, die anderen weniger. Die diversen Masterminds werden als ausgesprochen intelligent und manipulativ dargestellt, gleichzeitig aber auch irgendwie weltfremd und dummdreist. In kleineren Dosen ist das faszinierend, auf Dauer jedoch eher anstrengend. Ohnehin ist das aus vier Folgen bestehende Evil Genius etwas zu lang, wiederholt sich gerade in der zweiten Hälfte zu viel, zieht einzelne Elemente zu sehr in die Länge. Da zum Schluss auch gar nicht alle Fragen geklärt werden können, die im Laufe der jahrelangen Ermittlungen und Nachforschungen aufgetaucht sind, ist der dramatische Aufbau eher konterproduktiv. Man erwartet einfach mehr als das, was herauskommt. Wer True-Crime-Dokus mag, erhält aber doch zumindest einen Einblick in einen sehr ungewöhnlichen Fall, der mal perfide, dann wieder einfach nur wahnsinnig ist und einen streckenweise fassungslos zurücklässt.



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Kommt ein Mann mit einer Bombe in eine Bank: Die True-Crime-Doku „Evil Genius“ erzählt von einem Überfall, der nicht nur einen explosiven Ausgang hatte, sondern auch einen wahnwitzigen Hintergrund. Die Serie selbst ist recht konventionell und insgesamt zu lang, erfreut Freunde solcher Produktionen aber mit einem bizarren Verbrechen und schillernden Tatverdächtigen.