Genesis 2.0
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„Genesis 2.0“, Schweiz/China/USA/Russland/Südkorea, 2018
Regie: Christian Frei, Maxin Aburgaev

„Genesis 2.0“ // Deutschland-Start: 17. Januar 2019 (Kino)

Auf einer abgelegenen Insel im Arktischen Ozean stochern und graben sibirische Jäger in der menschenleeren Landschaft. Sie sind auf der Suche nach den Stoßzähnen des seit Jahrtausenden ausgestorbenen Mammuts. Der Preis für Elfenbein – das weiße Gold – ist so hoch wie nie zuvor. Aufgrund der Klimaerwärmung werden mehr und mehr Stoßzähne freigelegt. Eines Tages entdeckten die Jäger ein nahezu intaktes und vollständig konserviertes Mammut im Eis. Wissenschaftler, die das Wollhaarmammut in der Gegenwart durch Klonung wiederbeleben wollen, reisen an, um eine lebende Zelle im prähistorischen Kadaver zu finden. Das Mammut zurück ins Leben zu rufen, steht als Sinnbild für den nächsten großen Schritt der technologischen Revolution.

Paralleler Aufbau
Genesis 2.0 wirft einen Blick auf den aktuellen Fortschritt (und die aus ethischer Sicht besorgniserregenden Vorzeichen) der Gentechnologie. Dabei bewegt sich der Dokumentarfilm von Beginn an auf zwei parallel verlaufenden Ebenen, die zuweilen ihre wundersame Verbindung auf spannende und mitreißende Art und Weise offenbaren. Zwei Filmemacher befinden sich an zwei völlig unterschiedlichen Schauplätzen. Der eine, Maxim Arbugaev, ein junger, russischer Ex-Profisportler, begleitet eine Gruppe sibirischer Jäger für eine Saison in menschenleeres und unbewohnbares Terrain, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um in der Stoßzahnsuche das große Geld zu machen. Der andere, Christian Frei, ein erfahrener, alternativer Schweizer Regisseur, reist um den Globus und trifft in futuristischen Genzentren und auf gigantischen Forschungsmessen auf führende Innovatoren der synthetischen Biologie und der künstlichen Erzeugung genetisch identischer Lebewesen, oder kurz: der Technologie des Klonens.

Dabei zieht sich der stilistische Parallelismus sowohl in der Grundstruktur als auch in inhaltlichen Details durch den gesamten Film: die Gegenüberstellung von kulturellem Aberglauben und moderner Wissenschaft, die Begegnung und Diskrepanz zweier Brüder, der eine ein renommierter Mammut-Forscher, der andere Anführer der Stoßzahnjäger, das Wettrennen zwischen zwei Gentechnologien, dem Klonen und der synthetischen Biologie, dem harten Aufprall von Vergangenheit und Zukunft. Und inmitten des Mahlstroms steht das Wollhaarmammut – als ambivalentes Symbol zwischen archaischem, unheilsamen Mystizismus und niedlichem Maskottchen für technologische Waghalsigkeit unvorstellbarem Ausmaßes.

Der postmoderne Prometheus
Dass die Wiederauferstehung des Mammuts nur die Spitze des Eisbergs ist, wird dem Zuschauer im Verlauf des Films langsam aber sicher mit einem unguten Gefühl im Magen bewusst. Der Mensch gewinnt absolute Macht über die Gesetze der Natur. Es gelingt, die Formel des Lebens zu entziffern, zu digitalisieren und künstlich nachzubauen. Das mag wie eine Episode von Black Mirror klingen und ist mindestens genauso beängstigend. Doch dieser reale und bahnbrechende Fortschritt betrifft die Zukunft der gesamten Menschheit. Was die Wisschenschaftler wirklich antreibt und die möglichen Ausmaße bleiben unausgesprochen.

Allerdings möchte der Beitrag vom DOK.fest München 2018  laut des Regisseurs keine Angstmacherei sein, büßt in dieser Absicht aber kaum an beunruhigendem Gehalt ein. Das liegt unter anderem an den großartigen Bildern der brachliegenden Landschaft, die ohne Anzeichen jeglicher Lebensform wie Aufnahmen eines fremden Planeten wirken. Außerdem bleibt Regisseur Christian Frei trotz der dramatischen Thematik sachlich und unvoreingenommen. Die Aussagen seiner Interviewpartner stehen für sich, hängen geradezu in der Luft. Vielleicht macht gerade das deren Bedeutungsschwere aus. Als Kontrast dazu und beabsichtigt unheilvoll ist allein das von einer weiblichen Stimme gesprochene Gedicht, entnommen aus einem yakutischen Epos, das davor warnt, in der Vergangenheit zu graben. Doch spätestens, als die Jäger ein nahezu perfekt konserviertes Mammut im Eis entdecken, wird jegliche Ehrfurcht über Bord geworfen.



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Christian Freis Beobachtungen in seinem unheimlichen und spannenden Dokumentarfilm "Genesis 2.0" umfassen die Innovationen der Gentechnologie. Erschreckende Fortschritte werden nüchtern und sachlich in umwerfenden Aufnahmen vorgestellt. In seiner Machart und Thematik ein unvergesslicher Film, der den Zuschauer mit Gänsehaut zurücklässt.