Okja
© Netflix

„Okja“, Südkorea/USA, 2017
RegieJoon-ho Bong; DrehbuchJoon-ho Bong, Jon Ronson; Musik: Jaeil Jung
Darsteller: Seo-Hyun Ahn, Tilda Swinton, Jake Gyllenhaal, Paul Dano, Steven Yeun, Lily Collins

OkjaDie Zukunft ist da, und sie schmeckt saugut! Das zumindest verspricht Lucy Mirando (Tilda Swinton), die neue Chefin der Miranda Corporation. Vor zehn Jahren hatte das Unternehmen 26 Ferkel einer neuen Superschweinerasse bei Bauern auf der ganzen Welt abgegeben, um auf diese Weise die optimale Zucht zu testen. Die besten Werte erzielte dabei Okja, das auf dem Land in Südkorea aufgewachsen ist, liebevoll umsorgt von dem jungen Mädchen Mija (Seo-Hyun Ahn). Gemeinsam mit dem berühmten Zoologen Dr. Johnny Wilcox (Jake Gyllenhaal) sollen sie nun nach New York fliegen, um dort öffentlich während einer großen Feier geehrt zu werden. Mija will ihrem Freund diese Zumutung aber um jeden Preis ersparen und erhält dabei Unterstützung durch eine von Jay (Paul Dano) angeführten Gruppe von Tieraktivisten.

Als Okja vor rund einem Jahr im Wettbewerb von Cannes gezeigt wurde, bedeutete das gleich in zweifacher Hinsicht Neuland. Erstmals war mit Netflix ein reiner Streaminganbieter bei dem prestigeträchtigen Gerangel um die Goldene Palme dabei – eine Entwicklung, die vielen sauer aufstieß und deshalb ein Jahr drauf auch wieder rückgängig gemacht wurde. Es bedeutete aber auch für Joon-Ho Bong Neuland. Zuvor hatte sich der südkoreanische Regisseur und Drehbuchautor mit sehr düsteren Filmen einen Namen gemacht, etwa Mother oder Snowpiercer. Bei der Geschichte um die Supersau, die in ein großes Abenteuer verstrickt wird, versuchte er sich hingegen an einem Familienfilm.

Ein sausüßer Spaß für die Kleinen
Geglückt ist der Versuch ohne Zweifel, auch wenn Okja nur bedingt der geläufigen Vorstellung eines Familienfilms entspricht. Niedlich ist das enorme Vieh, das mehr an ein Nilpferd als an ein Schwein erinnert, durchaus geworden. Es ist zudem allerliebst animiert, sodass so manch einer aus dem jungen Publikum große Augen machen wird. Gerade zu Beginn des Films wird sorgenfrei durch eine idyllische Natur getollt, mit oft komischen Ergebnissen. Und auch später wird es den einen oder anderen Slapstickmoment geben, um das Publikum analog zur Titelheldin zum Quieken zu bringen.

Gleichzeitig lauert hinter der bunten und überdrehten Fassade aber auch so mancher Abgrund. Sicher sind Tilda Swinton als Karikatur einer rücksichtslosen Geschäftsfrau und Jake Gyllenhaal als ungewohnt alberner bzw. lächerlicher TV-Tierfreund lustig. Damit verbunden sind aber unverkennbare Angriffe auf das dreiste Greenwashing von Unternehmen, die sich nachhaltiger geben als sie sind, sowie auf eine Medienindustrie, in der sich alles nur um Unterhaltung und den schönen Schein dreht. Okja, das bedeutet eben auch ein satirischer Blick auf diese Welt.

Ein bisschen Normalität in einer verrückten Welt
Der emotionale Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte ist dabei die junge Mija. Während um sie herum alle verrückt spielen, selbst die gutmeinenden Tierschützer alle bekloppt sind, ist sie die einzige rein menschliche Hauptfigur. Seo-Hyun Ahn gelingt es, mit dem aus dem Computer entstandenen Okja wunderbar zu interagieren und sich direkt in die Herzen der Zuschauer zu spielen – und das ohne übertrieben auf niedlich zu machen oder sich dem Kitsch hinzugeben. Wenn sich zum Ende des Films eine Szene vor unseren Augen abspielt, wie sie trauriger nicht sein könnte, dann entsteht die aus ihrer Einfachheit heraus, ohne die üblichen Hollywood-Manipulationen.

Allein deshalb schon darf man Netflix selbst als Kinoliebhaber dankbar sein, Okja ist ein Werk, das es unter normalen Umständen wohl nicht gegeben hätte, zumindest nicht mit diesem hohen Budget. Manchmal kann einem das Abenteuer ein wenig auf die Nerven gehen, gerade Gyllenhaal ist auf eine groteske Weise grenzwertig. Und natürlich ist die Geschichte um ein Kind, das seinen besten Freund vor den bösen Erwachsenen beschützen muss, in seinem Kern auch nicht wirklich neu. Aber sie ist schön und unterhaltsam erzählt, ergänzt das klassische Grundkonstrukt um zeitgenössische Komponenten, die über das hinausgehen, was Familienfilme sonst leisten.



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Ein Mädchen will eine sanftmütige Supersau beschützen, die von einem fiesen Unternehmen zu rein kommerziellen Gründen gezüchtet wurde. Im Kern erzählt „Okja“ eine klassische Geschichte, ergänzt diese jedoch um Angriffe auf Wirtschaft und Medien und geht dadurch über die meisten Familienfilme hinaus. Das ist turbulent, teilweise witzig und manchmal überraschend emotional – selbst für Erwachsene.
8
von 10