„Misoji onna wa romanchikku na yume o miru ka?“, Japan, 2018
Regie: Kentarô Yamagishi, Drehbuch: Kentaro Yamagishi, Miyuki Uehara; Musik: Naoyuki Kobayashi‘
Darsteller: Rina Takeda, Yûki Kubota
Nana (Rina Takeda) ist fast 30, lebt allein und führt ein tristes Leben. Die Gesellschaft und die Medien erzählen ihr, welchen Träumen man als Frau mit 30 schnellstmöglich nachjagen sollte. Sonst könnte es schon bald zu spät sein. Doch Nana hat so langsam genug von Träumen. Ständig verpasst das Leben ihr einen Dämpfer. Der Traum von Liebe? Da ist lediglich ihr Chef, der ihr mit schmierigen Annäherungsversuchen den Hof macht. Der Traum von einer aufregenden Karriere? Nicht in ihrem Job im öffentlichen Dienst, der an Eintönigkeit kaum zu überbieten ist. Was du dir auch erträumen magst, das Leben bringt dich schnell wieder auf den Boden zurück. Diese Botschaft empfindet Nana irgendwann so deutlich, dass sie an einer Stelle des Films entnervt ausruft: „Träume! Sind die wirklich so toll?“.
Selbstironisches Roadmovie
An dem Tag, an dem auch noch Nanas beste Freundin auf der Arbeit ihre Kündigung verlauten lässt, flüchtet sich Nana verzweifelt in ihre Wohnung. Doch hier geht der Film erst richtig los und wird zum amüsanten Roadmovie, dessen rasche Erzählweise nie Langatmigkeit aufkommen lässt. Denn genauso schnell wie Nanas Leben auf ihre Träume mit einem Dämpfer reagiert, gerät es nun aus den Fugen. Drei Einbrecher steigen in ihre Wohnung und wollen bei ihr Unterschlupf finden. Nach einer kurzen Schockphase besinnt sich Nana. Die flüchtigen Verbrecher scheinen ihre einzige Chance zu sein, vor ihrem 30. Geburtstag nochmal etwas Aufregendes zu erleben. Also begibt sie sich mit der Bande auf die Flucht.
Auch abgesehen von Nana präsentiert der Beitrag vom Japan-Filmfest Hamburg 2018 lauter bemitleidenswerte Charaktere, die den eigenen, längst verlorenen Träumen nachjagen. Die Ex-Freundin von Takuto (Yûki Kubota), dem männlichen Einbrecher, lebt einzig in der Hoffnung, Takuto eines Tages zurückzugewinnen. Dabei gibt sie sich selbst vollkommen auf und lebt einzig in der Bewunderung ihres Traummanns. Als Nana mit Takuto anbandelt, wird die Ex-Freundin zur schrägen Furie – was in einer absoluten Katastrophe endet. Es ist dieser bis zum Zynismus reichende, beißende Sarkasmus, der den ganzen Film durchzieht und diesen so wunderbar unterhaltsam macht.
Film im Film
Auf die Spitze getrieben wird dieser Sarkasmus durch die Darstellung von Takuto selbst, der ein begeisterter, allerdings auch völlig talentloser Filmemacher ist. Seine bisherigen Filme fanden alle keinen Abnehmer, so dass er einen Plan entwickelt: Er filmt ganz einfach seinen Bankraub mitsamt Flucht, um so eine nie dagewesene Dokumentation zu erschaffen. Durch diesen Film im Film entwickelt Pumpkin Girls ein herrlich selbstreflexives Moment. Das sowieso ironische Genre des Roadmovies wird durch diese Selbstbetrachtung noch einmal ironisiert. Leider geht beim Dreh so ziemlich alles schief, was schiefgehen kann. Alle Versuche, das eigene Leben zum Film zu machen, müssen zwangsläufig scheitern, so die klare Botschaft. Natürlich nimmt Pumpkin Girls auf diese Weise auch die zahlreichen Selbstinszenierungsversuche des modernen Menschen aufs Korn, der auf Instagram, Facebook und weiteren Portalen das Aufregendste und Glamouröseste aus seinem oft eintönigen Alltag herauszuquetschen versucht.
Richtige Helden sind selten
Trotz seiner konsequenten Selbstironie hat der Film auch durchaus tiefgründige Stellen. Etwa wenn Nana feststellt, dass auf jeden erfüllten Traum eines Menschen neun unglückliche Menschen kommen, deren Traum geplatzt ist. Ein Rennen mit 10 Teilnehmern fordert 9 Verlierer. Nana nennt dieses Rennen „gesellschaftlichen Erfolg“. Auch durch die fließenden Wechsel von der Darstellung der fiktionalen Realität zu Nanas Einbildungen und Wunschvorstellungen zeigt der Film, wie sehr Träume unsere persönliche Realität bestimmen.
Das durchgängig gute Gefühl beim Schauen des Films ist auch der charmanten Hauptdarstellerin zu verdanken. Die weiteren Darsteller wirken neben ihr teilweise fast blass. Gegen Ende kann der Film noch mit einigen Twists aufwarten, die durchaus originellen Charakter haben. Das Ende ist wie der Film selbst: unglamourös, demaskierend und unterhaltsam. Richtige Helden sind selten, das zeigt Pumpkin Girls. Allerding können sie manchmal durch Zufall doch entstehen. Auch wenn sie kurze Zeit später wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Dafür sorgt das Leben allemal.
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