„The Rain“, Dänemark, 2018
Regie: Natasha Arthy, Kenneth Kainz; Drehbuch: Jannik Tai Mosholt, Poul Berg, Mette Heeno
Schöpfer: Jannik Tai Mosholt, Esben Toft Jacobsen, Christian Potalivo; Musik: AV AV AV
Darsteller: Alba August, Lucas Lynggaard Tønnesen, Mikkel Boe Følsgaard, Lukas Løkken, Jessica Dinnage, Sonny Lindberg, Angela Bundalovic
Im einen Moment sind die Geschwister Simone und Rasmus noch ganz normal in der Schule, bereiten sich auf die nächste Stunde vor, im nächsten geht die Welt unter. Ihre Eltern sind da, in Eile und großer Panik, drängen sie dazu, mit ihnen zu fahren. Sie müssen zum Bunker, sagen sie, bevor der Regen beginnt. Und tatsächlich: Als die ersten Regentropfen fallen, bedeutet das für alle, die damit in Berührung kommen, den Tod. Im Bunker sind die zwei jedoch sicher. Sechs Jahre später leben Simone (Alba August) und Rasmus (Lucas Lynggaard Tønnesen) noch immer unter der Erde. Bis das Essen knapp wird. Also beschließen sie, entgegen ihrem damaligen Versprechen, wieder hinauszugehen und ihren Vater zu suchen, der seinerzeit verschwand und nie zurückkam. Stattdessen begegnen sie einer Gruppe, die von Martin (Mikkel Boe Følsgaard) angeführt wird und der sie sich bald anschließen – in der Hoffnung, Schutz und Antworten zu finden, was vor sechs Jahren wirklich vorgefallen ist.
Die ganze Welt in einem Fernseher
Man muss das Angebot des Streamingdienstes Netflix nicht mögen, darf ihn auch dafür verdammen, dass immer wieder herausragende Filme von ihnen aufgekauft werden, die Kinogängern und selbst DVD-Besitzern vorenthalten bleiben – siehe Mudbound oder Auslöschung. Was man den Amerikanern aber zugutehalten muss: Sie sind wirklich darum bemüht, Content aus aller Welt zu produzieren und auf diese Weise eine echte Alternative zu dem US-Standard aufzubauen. Asiatische Produktionen tummeln sich immer häufiger unter den Neuerscheinungen, auch Europa ist langsam auf dem Vormarsch. The Rain wurde nun im Vorfeld auch deswegen eine Menge Aufmerksamkeit zuteil, weil es sich hier eben um die erste dänische Netflix-Produktion handelt
Aber auch die Geschichte selbst ist interessant. Drei versierte Filme – und TV-Macher sind hier zusammengekommen. Während Jannik Tai Mosholt (Follow the Money) und Christian Potalivo (Dicte) durchaus genreaffin sind, ist Esben Toft Jacobsen als Dritter im Bunde eine kleine Überraschung. Denn der hat sich als Mann hinter sehr sehenswerter Familien-Animationsproduktionen wie Kiwi & Strit und Johan und der Federkönig) einen Namen gemacht. Das ist eine ungewöhnliche Mischung, so wie auch die Idee hinter The Rain ungewöhnlich ist.
Der Mensch, dein ewiger Feind
Postapokalyptische Filme und Serien sind nun wirklich keine seltene Erscheinung. Gerade Viruserkrankungen werden immer wieder gern herangezogen, um einen Großteil der Menschen auf einen Schlag auszulöschen – entweder direkt oder über den Umweg, sie in Zombies zu verwandeln, die dann den Rest umbringen. In The Rain sind Menschen zwar ebenfalls eine ständige Quelle der Gefahr. Die beschränkt sich aber in den meisten Fällen darauf, dass – wie so üblich nach der Katastrophe – die Ressourcen knapp werden und im Falle einer Lebensgefahr sich dann doch jeder selbst der nächste ist.
Leider ist das dann auch der Punkt, auf den sich The Rain sehr konzentriert. Die Gefahr, die von dem Wasser ausgeht, wird auf einmal zurückgedrängt. Wo anfangs noch jeder Ausflug in die Welt da draußen dein letzter sein kann, schließlich weiß man in dem nicht unbedingt regenarmen Dänemark nie, wann es wieder losgeht, da sind die Figuren später vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die Spannung, die zunächst erzeugt wird, wenn sogar eine harmlose Pfütze zur Todesfalle wird, die hält die Serie nicht aufrecht. Zwar sind die Serienmacher immer darum bemüht, eine Atmosphäre der Bedrohung zu erzeugen, durch andere umherreisende Gruppen zum Beispiel. Doch das ist alles nicht mehr als der übliche Standard. Insgesamt fällt es The Rain schwer, sich aus der großen Masse an düsteren Katastrophengeschichten hervorzutun, vieles kommt einem dann doch zu bekannt vor.
Viele Hintergründe, wenig Logik
Am ehesten sind es noch die Figuren, die der Serie ein Gesicht geben. Denn eines muss man ihr lassen: Sie verwendet schon recht viel Zeit darauf, sie aufzubauen und mit Hintergrundgeschichten zu versehen. Immer wieder wird die Handlung unterbrochen, um zu erzählen, wie sie eigentlich in ihre Lage geraten sind, welche Wege sie zu der kleinen Schicksalsgemeinschaft formten. Aber auch hier ist das Ergebnis eher gemischt. Zum einen leidet The Rain daran, dass sich die Figuren zu oft dumm oder wenig nachvollziehbar verhalten müssen, um das Geschehen voranzutreiben. Das gilt nicht nur für die beiden Geschwister, die aufgrund jahrelanger Isolation ziemliche Defizite bei der Persönlichkeitsentwicklung und der sozialen Kompetenz aufweisen. Auch bei den „normalen“ Menschen stellt sich manchmal die Frage: Wie konnten die bei dem Verhalten eigentlich so lange überleben? Das nimmt dann zwar nicht die geballte Horroridiotie von etwa Wahrheit oder Pflicht an. Irritierend ist es trotzdem.
Ärgerlich ist zudem, dass die Geschichte selbst dadurch kaum vom Fleck kommt. Es mangelt der Serie nicht an Ereignissen: Immer ist die Gruppe auf der Flucht, muss sich gegen jemanden zur Wehr setzen oder befindet sich im Dauerstreit mit sich selbst. Wer aber wissen will, worum es denn eigentlich geht und was es mit dem Virus auf sich hat, der braucht jede Menge Geduld. Inmitten der Selbstbeschäftigung und ständigen Flashbacks verliert The Rain das Wesentliche zu oft aus den Augen. Aber auch das gehört ja inzwischen zum Standard bei Serien: Der Inhalt wird auf verschiedenste Weisen gestreckt, damit im Falle eines Erfolges noch ein paar Staffeln hinterhergeschoben werden können. Wenig überraschend endet die acht Folgen lange erste Staffel dann auch mit einem offenen Ende, das nach einer Fortsetzung schreit. Grundsätzlich ist gegen diese nichts einzuwenden, die Aufmachung der Naturkatastrophe ist gut, die Darsteller sind es auch. Dem Hype wird die Serie bislang aber kaum gerecht.
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