„Tokyo Vampire Hotel“, Japan, 2017
Regie: Sion Sono; Drehbuch: Sion Sono
Darsteller: Ami Tomite, Yumi Adachi, Megumi Kagurazaka, Kaho, Shinnosuke Mitsushima
Eigentlich hatte sich Manami (Ami Tomite) ihren 22. Geburtstag ganz anders vorgestellt. Mit ein paar Freundinnen in einem Restaurant feiern, etwas trinken und essen, mehr wollte sie ja gar nicht. Stattdessen endet der Abend in einem Blutrausch, sie selbst wird aufgrund ihrer Abstammung zum Spielball zweier Vampirclans. Zeitgleich organisieren Yamada (Shinnosuke Mitsushima) und Elizabeth Báthory (Megumi Kagurazaka) in ihrem noblen Hotel eine Veranstaltung mit dem Ziel, möglichst viele Paare zu bilden. Die Gäste sind begeistert, zumal sie auch noch Geld dafür bekommen, dort aufzutauchen. Was sie nicht ahnen: Auch sie haben einen Preis zu zahlen. Einen sehr hohen sogar.
Auch wenn Amazon nicht ganz so besessen – und publikumswirksam – in eigenen Content investiert wie die Kollegen von Netflix, ganz untätig ist auch der Online-Händler nicht, wenn es darum geht, den eigenen Streamingkatalog auszubauen. Davon konnten sich die Kunden kürzlich selbst ein Bild machen, als diverse japanische Produktionen nun auch den Weg in das deutsche Sortiment gefunden haben. Produktionen, die zum Teil sehr kurios sind. Kein Wunder, wenn man bekennenden Exzentrikern wie Hitoshi Matsumoto oder Sion Sono Geld und freie Hand lässt.
Weniger ist nicht immer mehr
Nun ist gerade Letzterer unberechenbar in seinem Output, von warmherzig über surreal bis trashig ist da alles dabei. Interessant ist das fast immer, teilweise aber auch anstrengend. Und so wird es manche vermutlich freuen, dass seine Serie Tokyo Vampire Hotel anschließend zu einem Spielfilm zusammengeschnitten wurde. Das ist bekömmlicher. Vielleicht. Der Film ist immer noch stattliche 140 Minuten lang, aber damit kurz genug, dass er auf diversen Filmfesten gezeigt werden kann – unter anderem auf dem Japan-Filmfest Hamburg, wo diese Fassung Ende Mai 2018 Deutschlandpremiere feiert.
Dass es sich bei Tokyo Vampire Hotel lediglich um einen Zusammenschnitt handelt, merkt man diesem an oder meint es zumindest zu merken. Tatsächlich wirkt hier vieles aus dem Zusammenhang gerissen, die diversen parallel laufenden Handlungsstränge sind erst nicht als Teil eines gemeinsamen Films zu erkennen. Andererseits: Wer andere Werke von Sono gesehen hat, der weiß, dass seine Geschichten nicht unbedingt immer Sinn ergeben müssen. Oft gefällt er sich gerade darin, Erwartungen zu unterwandern und eine Verrücktheit nach der anderen auf die Leinwand zu werfen.
Der übliche Wahnsinn
Das ist bei seinem Serienausflug nicht groß anders. Fans des Ausnahmeregisseurs werden sich hier sogar richtig heimisch fühlen: Wer befürchtet hat, Sono müsse sich bei der Auftragsarbeit zurücknehmen, der sieht sich getäuscht. Zum einen wird hier mal wieder kräftig Blut verspritzt. Wenn in dem noblen Hotel die einzelnen Fäden zusammenlaufen und es zu dem großen Showdown kommt, dann erinnert das an frühere Metzelorgien wie Why Don’t You Play in Hell? oder Tokyo Tribe. Die knallbunten Farben des Hotels, die in jedem Raum anders sind, die ähneln denen aus seiner Erotikdekonstruktion Antiporno. Und bescheuert ist das Ganze ja ohnehin.
Teilweise macht das richtig Spaß. Shinnosuke Mitsushima (Hanagatami) zum Beispiel ist fantastisch als grotesk zurechtgemachter Dandy-Vampir. Kaho (Unsere kleine Schwester) und Ami Tomite dürfen später zeigen, dass auch das schwache Geschlecht richtig böse austeilen kann – ob nun mit Waffen, Krallen oder Reißzähnen. Wirklich spannend ist der Film jedoch nicht, wer bei einer Vampirgeschichte echten Horror erwartet, der dürfte trotz vieler brutaler Szenen eher enttäuscht sein. Außerdem zieht sich Tokyo Vampire Hotel teilweise, selbst als gekürzte Fassung ist er irgendwie zu lang. Fans der deftigeren Werke von Sono sollten sich aber das hier dennoch nicht entgehen lassen. Pluspunkte gibt es dafür, japanische Orten mit rumänischen zu kombinieren – schließlich liegt Transsilvanien in Rumänien – und auch beide Sprachen zu verwenden. Denn das kommt dann doch etwas unerwartet, wie man es von dem japanischen Filmemacher aber auch erwarten kann.
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