„Violence Voyager“, Japan, 2017
Regie: Ujicha; Drehbuch: Ujicha
Klar wurden Bobby und Akkun immer wieder davor gewarnt, alleine in die Berge zu gehen. Aber das war nun mal der kürzeste Weg, um zu ihrem Freund zu kommen, seitdem der auf der anderen Seite wohnt. Und den würden sie schon gern mal wiedersehen. Außerdem, was soll schon groß passieren? Da oben ist doch eh keiner. Dachten sie. Als sie unterwegs auf den etwas heruntergekommenen Vergnügungspark „Violence Voyager“ stoßen, ist die Überraschung daher groß. Es wird nicht die letzte für die beiden bleiben. Denn nachdem sie einige Stunden dort damit verbracht haben, Papproboter mit Wasserpistolen abzuschießen, stellen sie fest, dass sie nicht mehr aus dem Park herauskommen. Und sie sind nicht allein.
Bei japanischer Animation denken die meisten natürlich an klassischen Zeichentrick, ist das Land der aufgehenden Sonne doch eine der letzten Bastionen davon. Dann und wann gibt es auch CGI-Werke, etwa Rudolf der schwarze Kater oder Blame! (2017) und natürlich solche, die auf beide Techniken zurückgreifen und miteinander mischen. Stop-Motion ist hingegen eine Randerscheinung, deren wenige Vertreter – beispielsweise Chieri and Cherry und Junk Head – allenfalls auf Festivals laufen.
Eine seltsame Welt aus Papier
Auf einem solchen, genauer der Nippon Connection 2018 in Frankfurt am Main, dürfen Bewohner noch eine weitere Form der Animation bewundern, von der die meisten gar nicht vorher gewusst haben dürften, dass es sie gibt. Von der auch nicht jeder sagen würde, dass es überhaupt Animation ist. Schließlich sind Bewegungen in Violence Voyager selten und auch nicht sehr ausgeprägt. Gekimation wird die von Regisseur und Drehbuchautor Uchija genannte Technik genannt, bei der Figuren und Hintergründe aus Papier gefertigt, per Hand bewegt und dabei abgefilmt werden.
Das erinnert ein wenig an das sogenannte Cut-out-Stop-Motion à la Der phantastische Planet oder auch Yamishibai, das dem früheren Puppentheater Japans nachempfunden ist. Nur ist hier noch weniger animiert. Wenn Figuren eine andere Pose einnehmen, dann durch einen Kameraschnitt und den Austausch der Figur. Nicht weil eine Figur selbst bewegen würde – denn die ist aufgrund des Materials ja starr. Der Anblick ist interessant, ein bisschen kindlich-verspielt, aber auch nostalgisch. Letzteres passt dann auch zur Geschichte, Ersteres weniger.
Ein Ende mit Schrecken … und Verwunderung
Während Violence Voyager anfangs noch an frühere Jugendabenteuer wie Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers oder Super 8 erinnert und dazu eine kleine Liebeserklärung an altmodische Vergnügungsparks ist, schlägt der Inhalt später eine etwas unerwartete Richtung ein. Zu viel sollte man darüber nicht wissen, denn der Film entfaltet seine größte Wirkung, wenn man möglichst wenig darauf vorbereitet ist. Nur so viel: Es wird sehr bizarr. Und sehr blutig: Kinder sollten nicht einmal in die Nähe der Aufführung dürfen – und das, obwohl hier nur Papierfiguren in Mitleidenschaft getragen werden.
Interessant ist der Streifen also, eine Erfahrung, die man so bald nicht wieder vergisst. Eine Erfahrung, die man so bald aber vielleicht auch nicht wieder machen wollte. Denn während die Frage nach der Eigenständigkeit ohne zu zögern bejaht werden kann, ist das mit der Qualität schon deutlich schwieriger zu beantworten. Die Geschichte ist so lustvoll an den Haaren herbeigezogen und so roh auch, dass Trashfans ihre helle Freude daran haben werden. Beim Rest dürfte die Reaktion zwischen Verwirrung, Ekel oder auch Langeweile schwanken. Denn wenn erst einmal die mutierte Katze aus dem Sack ist, zieht sich Violence Voyager ziemlich. Dennoch: Wer ohnehin in Frankfurt ist und seinem Erfahrungsschatz ein unvergessliches Artefakt hinzufügen möchte, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Ein regulärer Release ist nicht angekündigt und in dem Fall hier auch äußerst unwahrscheinlich.
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