„1922“, USA, 2017
Regie: Zak Hilditch; Drehbuch: Zak Hilditch; Vorlage: Stephen King; Musik: Mike Patton
Darsteller: Thomas Jane, Molly Parker, Dylan Schmid
Glücklich könnten Wilfred James (Thomas Jane) und seine Frau Arlette (Molly Parker) sicher werden. Nur nicht zusammen. Während es für ihn ein Traum ist, das Land auf dem kleinen Grundstück in Nebraska zu beackern, würde sie lieber in die Stadt ziehen und dort als Näherin arbeiten. Soll sie doch, Wilfred wäre eigentlich ganz froh, sie endlich los zu sein. Das Problem ist nur: Sie ist seit der Erbschaft diejenige mit dem Geld. Und sie ist fest entschlossen, das Land zu verkaufen und mit dem gemeinsamen Sohn Henry (Dylan Schmid) nach Omaha zu ziehen. Das wiederum gilt es unbedingt zu verhindern, koste es, was es wolle.
Am bekanntesten ist Stephen King sicher für seinen übernatürlichen Horror, der in Form namenloser Gottheiten oder Monstrositäten Kleinstädte heimsucht – siehe etwa Es oder Kinder des Zorns. Er befasst sich aber ebenso gern mit den inneren Abgründen seiner Protagonisten, entweder im Zusammenspiel mit den unheimlichen Kräften, manchmal auch losgelöst von diesen. Das trifft auch für die eher unbekannte Novelle 1922 zu, die 2010 im Rahmen der Sammlung Zwischen Nacht und Dunkel veröffentlicht wurde.
Das Böse in dir
Das ist bei der Umsetzung durch Zak Hilditch ganz ähnlich. Der australische Regisseur und Drehbuchautor hatte zuvor schon in These Final Hours bewiesen, dass er düstere Genreszenarios mit persönlichen Dramen zu verbinden weiß. Das ist bei der Netflix-Produktion 1922 nicht anders. Immer wieder finden hier zwar übernatürliche Elemente hinein. Hilditch lässt jedoch offen, inwiefern diese tatsächlich stattfinden oder nur Teil der Vorstellungskraft der Protagonisten sind – ganz ähnlich zum kurz zuvor veröffentlichten Das Spiel.
Der Unterschied: Beim Kollegen waren die seelischen Abgründe durch ein von außen kommendes Böses bedingt. In 1922 ist es das Böse selbst, in das wir hineinschauen. Was macht es mit einem Menschen, wenn er Böses tut? Wie geht er damit um? Das ist spannend und unangenehm zugleich, gekettet an ein Monster, das sich erst mit der Zeit bewusst wird, dass er ein Monster ist. Wenn Wilfred um sich herum Bedrohungen sieht, dann dient das mehr der Atmosphäre. Der Film selbst handelt in erster Linie davon, wie jemand innerlich verfault und an sich selbst verzweifelt – Edgar Allen Poe lässt grüßen.
Intensives Spiel in einem gemächlichen Umfeld
Das ist vorrangig Thomas Jane wegen sehenswert. Der US-Amerikaner, bestens genreerfahren durch Before I Wake oder die King-Adaption Der Nebel, bestimmt nicht nur das Geschehen innerhalb der Geschichte. Es ist auch seine unheimliche Präsenz, die den Film zusammenhält. Das klappt jedoch nicht immer. Hilditch ließ sich ein bisschen sehr viel Zeit, als er die nicht sehr umfangreiche Vorlage auf 100 Minuten ausdehnte. Viel passieren tut hier nicht, wer angesichts des Horror of Kings tatsächliche Schocker erwartet, der wird enttäuscht. Der langsame Verfall ist eher bedrückend als fesselnd.
Wer sich hingegen für die menschliche Natur erwärmen kann, schon immer mehr an den Tätern als der Tat selbst interessiert ist – der Wendepunkt ist in 1922 schon sehr früh –, der schaut dennoch mal rein. Begleitet von Bildern, die passend zum geistigen Zustand immer dunkler werden, ist das Horrordrama, das 2017 auf dem Fantastic Fest in Austin, Texas Weltpremiere feierte, ein ebenso düsterer wie deprimierender Einblick in die menschliche Seele. Eine Demonstration, wie eine einzige Entscheidung den Rest des Lebens bestimmen kann und wie ein Fluch auf diesem liegt.
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