A Thousand and One Nights

A Thousand & One Nights

„Senya ichiya monogatari“, Japan, 1969
Regie: Eiichi Yamamoto; Drehbuch: Osamu Tezuka, Kazuo Fukasawa, Hiroyuki Kumai; Musik: Isao Tomita

A Thousand and One Nights
„A Thousand & One Nights“ läuft ab 7. Juni 2018 im Kino

Ein Blick hat gereicht, da ist es bereits um Aldin geschehen. Die schöne Milliam, die da auf dem Sklavenmarkt angeboten wird, die muss ihm gehören, so viel steht fest. Weniger klar ist jedoch, wie er die Teure denn bezahlen soll. Als Wasserhändler verdient man nun mal nicht besonders viel. Vor allem nicht genug, um sich mit den reichen Leuten zu messen, die ebenfalls ein Auge auf die junge Frau geworfen haben. Also tut Aldin, was er tun muss: Er entführt die holde Sklavin einfach, um glücklich bis ans Ende seiner Tage mit ihr zu leben. Aber es kommt anders, ganz anders. Denn dies ist nur der Auftakt für eine Reihe von Abenteuern, die ihn um die ganze Welt führen werden.

Heutzutage ist es keine besonders große Kunst mehr, mit erotischen Animes Geld zu machen. Der Ecchi-Bereich erfreut sich eines treuen Kundenstamms, auch reguläre Vertreter der japanischen Zeichentrickkunst sind überlaufen von Damen mit enormen Oberweiten und knappen Unterhöschen. Das war vor rund 50 Jahren, als Manga-Gott Osamu Tezuka (Kimba, der weiße Löwe, Robotic Angel) seine Animerama-Reihe ins Leben rief, noch anders. Parallel zu den in Japan entstehenden Erotikfilmen richtete sich diese an ein rein erwachsenes Publikum, kombinierte bekannte Geschichten mit nackter Haut. Berühmt wurde diese kurzlebige Reihe aus drei Titeln, berüchtigt vielleicht. Erfolgreich jedoch weniger: Im Westen interessierte sich kaum einer dafür, die oft stark gekürzten Fassungen sind eher Fußnoten der Animationsgeschichte.

Früher pikant, heute harmlos
Dabei war A Thousand & One Nights, mit dem es 1969 los ging, durchaus ein Pionier. Drei Jahre vor Fritz the Cat gingen die Japaner als erster mit einem abendfüllenden Zeichentrickfilm für Erwachsene an den Start. Aus heutiger Sicht ist das Werk jedoch recht harmlos. Geradezu verschämt ist es, wie Milliam zu Beginn ihre Kleidung fallenlässt. Und auch wenn später noch diverse andere Nackedeis durchs Bild laufen, es geschieht hier weniger aufdringlich als bei den heutigen Nachkommen. Die Erotikkomponente spiel noch nicht einmal eine Rolle, ist so sparsam eingesetzt, dass sie einem kaum mehr auffällt.

Tatsächlich ist A Thousand & One Nights im Herzen eher ein Familienfilm. Anders als das später folgende Belladonna, welches Sex und Abgründe zu einem Höllenritt kombinierte, gibt es hier keine erwachsenen Themen, keine echte Bösartigkeit. Ließe man die nackten Brüste und die gelegentliche Gewalt weg, das hier unterschiede sich nicht bemerkenswert von üblichen Kinder-Abenteuern. Das liegt auch an dem doch sehr prominent eingesetzten Humor, gern etwas albern, der häufiger mal an die Anfänge von Lupin III erinnert. Schätze wollen gejagt, Frauen erobert werden. Letztere sind dann meistens auch auf die Rolle als Objekt der Begierde reduziert, während sich die Männer um die Geschäfte kümmern.

Von allem ein bisschen
Teilweise ist das ganz unterhaltsam, teilweise ein wenig zäh. Rund 130 Minuten dauert der Film, in denen er – der Titel verrät es bereits – eine ganze Reihe von Geschichten aus Tausendundeine Nacht wiedergibt. Diese sinnvoll miteinander zu verbinden, fällt dem Anime offensichtlich schwer, ganze Passagen sind mehr oder weniger willkürlich aneinandergereihte Szenen ohne durchgängige Handlung. Zumindest in der zweiten Hälfte, wenn sich A Thousand & One Nights wegbewegt von Aldins albernen Erotikabenteuern, lohnt sich der Film dennoch. Da wird es zuweilen sehr surreal, ausgesprochen düster, im nächsten Moment dann wieder komplett absurd, wenn auf einmal Elemente eingebaut werden, die so gar nichts hier zu suchen haben.

Das Gleiche gilt auch für die Optik von Tezukas Animationsstudio Mushi Productions. Die mag im Vergleich zu Belladonna konventioneller sein, ist zumindest im Grundsatz klassischer Zeichentrickfilm. Aber auch sie erfreut sich daran, immer mal wieder ein bisschen zu experimentieren. Da werden Realszenen eingebaut und mit gezeichneten Figuren kombiniert, auch bei der Farbgebung wollte man wohl alles einmal ausprobiert haben – mit ausdrucksstarkem, seltsamen Ergebnis. Als Adaption der orientalischen Märchen und Legenden taugt das zwar weniger, da bleibt die traditionell produzierte Serie Sindbad dann doch die erste Wahl. Aber es sind spaßige Gehversuche einer damals noch jungen Animationszunft, von Lust und Freigeist gelenkt, nicht von rein kommerziellen Gedanken. Allein deshalb schon dürfen Animefans sich glücklich schätzen, dass knapp 50 Jahre später eine deutsch untertitelte Fassung des Beinahe-Klassikers erscheint und sogar im Rahmen einer Animerama-Tour auf deutschen Leinwänden zu sehen sind.



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Mit „A Thousand & One Nights“ startete Manga-Gott Osamu Tezuka Ende der 1960er die legendäre Reihe Animerama mit Zeichentrickfilmen für ein erwachsenes Publikum. Die Erotikelemente sind aus heutiger Sicht sehr zahm, während der Humor eigentlich eher für Kinder gedacht ist. Aber es ist gerade diese Kombination aus eigentlich nicht zusammenpassenden Bestandteilen – inhaltlich wie optisch –, die aus dieser experimentierfreudigen Adaption der orientalischen Märchen etwas Besonderes macht.
6
von 10