„La Fuga“, Schweiz/Italien, 2017
Regie: Sandra Vannucchi; Drehbuch: Sandra Vannucchi, Michael King; Musik: Marcel Vaid
Darsteller: Lisa Ruth Andreozzi, Donatella Finocchiaro, Filippo Nigro, Emina Amatovic
Unfair ist das, richtig unfair. So oft wurde der 10-jährigen Silvia (Lisa Ruth Andreozzi) schon versprochen, dass sie alle gemeinsam nach Rom fahren. Aber nie wird etwas draus. Erst geht es der Mutter (Donatella Finocchiaro) zu schlecht, sodass die nicht einmal aus dem Bett kommt. Und dann macht ihr Vater (Filippo Nigro) einen Rückzieher, weil er zu viel arbeiten muss. Aber bitte, wenn die anderen ihre Versprechen nicht halten, dann geht Silvia eben allein. Gesagt getan: Ohne die Eltern zu informieren, nimmt sie den Zug in die große Stadt und lernt dabei unterwegs das Romamädchen Emina (Emina Amatovic) kennen.
Die Welt eines Kindes, die ist gleichzeitig wahnsinnig kompliziert und furchtbar einfach. Sie will nach Rom, das hat man ihr versprochen. Also hat sie auch ein Recht darauf, findet sie. Es fällt nicht schwer, ihr das nachzusehen und nachzufühlen. Jeder von uns dürfte als Kind in der Situation gewesen sein, etwas absolut zu wollen und es nicht einsehen zu können, dass das nicht gehen soll. Zumal ihre Situation daheim alles andere als glücklich ist. Wie soll man als 10-Jährige verstehen, dass einen die Arbeit nicht loslässt? Dass die Mutter krank ist, ohne dass man genau versteht, was diese Krankheit eigentlich sein soll?
Ausflug in eine bittere Welt
Und damit ist noch nicht Schluss. Sandra Vannucchi, die hier Regie führte und auch am Drehbuch beteiligt war, ließ es sich nicht nehmen, zusätzlich das Schicksal der Roma einzubauen. Silvia, die aus einem zwar schwierigen, aber doch behüteten Umfeld kommt, lernt auf diese Weise eine ganz neue Welt kennen. Eine Welt, die sehr spannend sein kann und dem offensichtlich gelangweilten Mädchen kleine Abenteuer ermöglicht. Aber es ist auch eine bittere Welt, geprägt von Armut und Rassismus.
Sehr subtil geht Abenteuer Rom dabei nicht vor. Wenn Silvia und Emina unterwegs von Männern aufgehalten werden, die dem Romamädchen vorwerfen, Silvia entführt zu haben, dann lässt das keinen Raum für Missverständnisse. Passend zur jüngeren Zielgruppe wird hier alles vereinfacht, gerne auch mit Schwarzweiß gemalt und der Zufall zu Hilfe genommen. Das ist an manchen Stellen etwas plump gelöst und läuft dem so authentischen Anfang zuwider. Zudem tat sich Vannucchi keinen Gefallen damit, so viele Themen in nur 75 Minuten packen zu wollen – da bleibt einfach zu viel auf der Strecke, es mangelt an dem Tiefgang, den einiges hier verdient hätte.
Ein Familienfilm, der mehr will als andere
Zugutehalten muss man dem Jugenddrama, das während des Filmfest München 2018 seine Deutschlandpremiere feiert, aber, dass es überhaupt versucht, solche Themen anzupacken. Wo andere Kollegen der Ansicht sind, die Kleinen müssten nur mit bunt-schnellen Belanglosigkeiten ruhiggestellt werden, da will Abenteuer Rom mehr sein. Rassismus, klinische Depression, Vernachlässigung innerhalb der Familie, Armut – das ist schon harter Stoff, der hier ausgepackt wird. Am Ende wird zwar einiges wieder geradebogen sein, Silvia und auch das Publikum haben in der Zeit aber doch einen Einblick bekommen, dass die Welt manchmal ein richtig bitterer Ort sein kann. Ob wir das nun wollen oder nicht.
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