„Alex Strangelove“, USA, 2018
Regie: Craig Johnson; Drehbuch: Craig Johnson; Musik: Nathan Larson
Darsteller: Daniel Doheny, Madeline Weinstein, Antonio Marziale
Es gibt zwei Dinge, die Alex Truelove (Daniel Doheny) mehr als alles andere liebt: eigenartige Tiere und Claire (Madeline Weinstein). Vom ersten Moment an, als sie neben ihm in der Klasse saß, mochte er sie. Sie wurden schnell Freunde, gute Freunde, später auch mehr. Nur das mit dem Sex hat bislang irgendwie noch nicht so richtig klappen wollen, was ihm jede Menge Spot seiner Kumpels einbringt. Das soll sich bald ändern, so der Plan, wie und wann er seine Jungfräulichkeit verliert, ist bereits beschlossene Sache. Doch dann begegnet er dem offen schwul lebenden Elliot (Antonio Marziale), was sein Gefühlsleben rasch völlig durcheinanderbringt.
Der eine oder andere wird bei Alex Strangelove ein kleines Déjà-vu-Erlebnis erleben: Als Anfang des Jahres das Drama Beach Rats in die Kinos kam, spielte Madeline Weinstein darin eine Jugendliche, die nichts davon ahnte, dass ihr Freund eigentlich schwul ist. So auch hier. Ganz vergleichbar sind die zwei Filme trotz ihres sehr ähnlichen Themas, das sich um (sexuelle) Selbstfindung und Verleugnung dreht, dann aber doch nicht. Denn wo die Regisseurin Eliza Hittman bei all den sonnendurchfluteten Aufnahmen stark mit den Abgründen beschäftigt war, da mag es ihr Kollege Craig Johnson (Wilson – Der Weltverbesserer, Looking – Staffel 2) gern etwas heiterer. Und lustiger.
Komisch und versponnen
Die ersten Minuten geben bereits den Ton an, den das Publikum bei der Netflix-Produktion erwartet: Es gibt kleine Ausflüge in das kuriose Paarungsverhalten der Tierwelt, gepaart mit Verweisen auf menschliche Pendants an der Schule. Und es gibt Alex, der das mit dem Paaren zwar nicht so ganz selbst hinbekommt, dafür aber umso mehr Spaß daran hat, herumzuspinnen und sich mit Claire die komischsten Klamotten anzuziehen. An dieser Stelle erinnert der Film ein wenig an Die Mitte der Welt, in der ebenfalls ein junger Schwuler den Träumen zugeneigt ist, die dann als grafische Elemente durch das Bild flattern. Nur dass Alex eben keine Ahnung hat, dass er schwul ist.
Das ist an und für sich ein ernstes Thema, die sexuelle Selbstfindung eines Jugendlichen. Denn auch wenn 2018 die Akzeptanz gegenüber Homosexuellen im Vergleich zu früher deutlich verbessert wurde, Ausgrenzung und Scham gehören noch immer zum Alltag dazu. Während die meisten LGBT-Filmemacher daraus dann auch ein Drama machen, in dem die Protagonisten durch die Hölle gehen, da meint es Johnson recht gut mit Alex. Bullys sind an seiner Schule eine seltene Spezies, es gibt keine Streitereien mit den Eltern, keine Beschimpfungen oder blöde Witze. Selbst seine doch sehr auf weibliche Anatomie fixierten Freunde zucken angesichts von Alex’ sexuellen Zweifeln mit den Schultern.
Alles kann, man muss nur wollen
Dieses Ausmaß an Harmonie und Wohlwollen mag man als sehr beschönigend empfinden. Andererseits ist es eben auch erfrischend, dass der selbst offen homosexuelle Johnson das Thema gar nicht problematisieren will. In seiner Welt ist Homosexualität, Bisexualität oder gar Pansexualität letztendlich so normal, dass daraus kein Konflikt entsteht. Die Schwierigkeiten von Alex liegen weniger in einem feindlichen Umfeld als vielmehr in der eigenen Unsicherheit. Er könnte ja alles haben, er traut sich nur nicht, weiß auch gar nicht so recht, was er überhaupt will. Wer möchte es allen recht machen, sich und anderen etwas beweisen, und bleibt dabei doch blind für das, was eigentlich zählt.
Das spricht natürlich in erster Linie ein jugendliches Publikum an, das selbst in dieser großen weiten Welt etwas auf verlorenem Posten steht. Wer bin ich? Was kann ich? Wohin soll es gehen? Diese Fragen werden sich die meisten in dem Alter stellen, eine entsprechend gute Identifikationsfigur stellt Alex dar: egal ob nun Junge oder Mädchen, hetero oder homo. Aber auch der Jugendlichkeit entwachsen fällt es nicht schwer, sich in Alex wiederzufinden, wenn er abwechselnd wie auf Glasscherben läuft, nur um im nächsten Moment selbst alles niederzureißen, weil er überfordert ist mit allem. Das kann an manchen Stellen zu Herzen gehen, sehr sogar. Aber es ist eben auch charmant und überraschend witzig. Der Humor schwankt dabei zwischen skurril-versponnen und ziemlich derb, ohne dass Alex Strangelove dadurch selbst in eine Identitätskrise geraten würde. Denn es passt zu einem Film, der vom Ausprobieren handelt. Vom Suchen. Von unendlichen Möglichkeiten und alltäglichen Einschränkungen. Dass die ganz großen Überraschungen ausbleiben, ist nicht weiter tragisch, die Geschichte um eine emotionale Achterbahnfahrt ist auch so eine der liebenswertesten Teenie-Komödien der letzten Zeit.
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