Am Strand
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Am Strand

„On Chesil Beach“, UK, 2017
Regie: Dominic Cooke; Drehbuch: Ian McEwan; Vorlage: Ian McEwan; Musik: Dan Jones
DarstellerSaoirse Ronan, Billy Howle

Am Strand
„Am Strand“ läuft ab 21. Juni 2018 im Kino

Es ist reiner Zufall, der Edward Mayhew (Billy Howle) im Jahr 1962 auf eine politische Versammlung in Oxford führt. Eigentlich hat er nur jemanden gesucht, dem er von seinem Erfolg an der Uni erzählen konnte. Aber vielleicht war es auch Schicksal, schließlich lernt er dort Florence Ponting (Saoirse Ronan) kennen. Trotz ihrer sehr unterschiedlichen Hintergründe finden sie rasch Gefallen aneinander, verlieben sich. Sogar die Hochzeit ist schnell beschlossen, zur Freude von Edwards Familie. Doch je näher diese rückt, umso größer werden auch der Druck und die Unsicherheit der beiden.

Er mag vielleicht nicht der produktivste Autor seiner Zeit sein, gerade einmal 15 Bücher hat Ian McEwan innerhalb von 40 Jahren geschrieben. An Renommee mangelt es dem Engländer hingegen kaum: Gleich sechs Mal war er für den prestigeträchtigen Booker Prize nominiert, eine der wichtigsten Literaturauszeichnungen im englischsprachigen Raum. Auch das 2007 veröffentlichte Am Strand gehört zu dieser erlesenen Auswahl an Büchern. Auf dem Papier dürfte eine Adaption daher niemanden wirklich überraschen – umso mehr, da die frühere McEwan-Verfilmung Abbitte sowohl an den Kassen wie auch bei den Kritikern ein riesiger Erfolg ist. Dass bei diesem Saoirse Ronan mitspielte, die hier nun die Hauptrolle übernimmt, schraubt die Erwartungen noch ein wenig höher.

Aus Gedanken werden Taten
Gleichzeitig dürften Kenner der Vorlage aber auch ihre Zweifel gehabt haben. So unstrittig die Qualitäten von Am Strand sind, so wenig bietet sich das Werk eigentlich als Film an. Sonderlich viel Handlung hat die Geschichte um ein junges Liebespaar kurz vor der Hochzeitsnacht nicht gerade. Die ohnehin nicht sehr umfangreiche Novelle besteht eher aus Gedankengängen der zwei verunsicherten Jugendlichen. Wer wollte, könnte den kompletten Ablauf des Buches in nur einem Satz zusammenfassen. Es würde nur dem Werk eben nicht gerecht, denn hier geht es eben nicht darum, was die Protagonisten tun, sondern was in ihnen vor sich geht.

Als Film ist das eher schwierig darzustellen. Dessen war sich McEwan dann auch bewusst und baute in dem von ihm verfassten Drehbuch noch ein wenig aus. Das, was sich vorher implizit hinter Bildern oder in Nebensätzen versteckte, rückt nun in den Vordergrund. Die offenen Fragen, die Am Strand noch als Buch hinterließ, vor der Kamera ist für diese kein Platz mehr. Das raubt dem Ganzen zumindest einen Teil seiner Vorzüge, das zarte Pflänzlein der Beziehung wird plakativer zur Schau gestellt – beispielsweise beim etwas dick aufgetragenen Schluss.

Süß, zauberhaft und sehr traurig
Und doch ist Regisseur Dominic Cooke, der nach vielen Jahren beim Theater hier sein Spielfilmdebüt abgibt, mit Am Strand ein sehr schöner Film gelungen. Ein sehr einfühlsamer Film. Und auch ein sehr trauriger. Getragen wird das von den beiden Hauptdarstellern. Saoirse Ronan sollte spätestens seit ihrer erneut für einen Oscar nominierten Darstellung im Coming-of-Age-Streifen Lady Bird auch der breiteren Masse etwas sagen. Billy Howle (Vom Ende einer Geschichte) steht ihr nicht wirklich nach, gemeinsam bilden sie ein geradezu unverschämt süßes Paar, das selbst den banalsten Momenten einen kleinen Zauber entlockt.

Nur dass Am Strand eben keine gewöhnliche Feel-Good-Romanze ist. Stattdessen erzählt McEwan in gedruckter wie bewegter Form von den Ängsten und Unsicherheiten eines jungen Menschen, von dem Druck von Erwartungen und auch der Folgenschwere von Entscheidungen. Dass der viel mit Flashbacks arbeitende Film in den 1960ern spielt, trägt zu den Umständen natürlich bei, in den letzten Jahrzehnten hat Sexualität eine andere Selbstverständlichkeit entwickelt. Gleichzeitig hat das Drama sehr zeitlose Qualitäten, wenn hier eine Beziehung nicht mit dem Mangel von Zuneigung und Liebe zu kämpfen hat, sondern mit der Schwierigkeit, damit umzugehen. Denn auch wenn sich das Drumherum geändert hat, so fällt es doch nicht schwer, sich in den beiden wiederzufinden und mit ihnen die schönen und hässlichen Momente zu erleben.



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Die Adaption des hoch gelobten Romans hat ein wenig damit zu kämpfen, dass die inneren Vorgänge der Protagonisten sich nicht direkt auf die Leinwand übertragen lassen. Doch auch wenn „Am Strand“ nicht die Subtilität der Vorlage erreicht, so ist auch die Filmversion gleichermaßen schön und traurig, lebt vor allem von dem geradezu unverschämt süßen Leinwandpaar.
7
von 10