„Beirut“, USA, 2017
Regie: Brad Anderson; Drehbuch: Tony Gilroy; Musik: John Debney
Darsteller: Jon Hamm, Rosamund Pike
Zehn Jahre sind vergangen seit dem tragischen Zwischenfall, als Mason Skiles (Jon Hamm) seine Frau verlor. Inzwischen hat er seinen Posten als Diplomat in der libanesischen Hauptstadt Beirut aufgegeben, ist dem Alkohol verfallen und arbeitet als Vermittler in den USA. Eben diese Vermittlerfertigkeit ist gefragt, als er von der CIA gebeten wird, zurück in den Libanon zu fliegen, wo noch immer ein blutiger Bürgerkrieg ausgetragen wird. Denn sein alter Freund Cal ist von einer palästinensischen Terrorgruppe entführt worden, Skiles soll auf ausdrücklichen Wunsch der Kidnapper die Verhandlung leiten. Und das ist nicht die einzige Verbindung, die der Amerikaner zu dem Fall hat, wie er bald feststellen muss.
Dass die Situation im Nahen Osten gelinde gesagt komplex ist, das ist kein Geheimnis. Auch wenn der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern gerne mal als der alleinige Grund dafür angesehen wird, so sind es doch eine ganze Reihe von Staaten und Organisationen, die hier um die Macht kämpfen. Einiges davon ist religiös motiviert, genauso kann es aber auch um Einfluss und Geld gehen. Da wird offen gepoltert, teils auch im Geheimen taktiert, so manches Mal über Bande gespielt. Hier den Überblick zu behalten, wer eigentlich mit wem warum und wofür kämpft, das ist für Laien nahezu unmöglich – umso mehr, wenn auch innerhalb eines Landes Gruppierungen miteinander kämpfen.
Ein kleiner Staat mit großen Problemen
Das zeigt das Beispiel Libanon. Seit der Ausrufung des Nachbarstaates Israel befindet es sich im Kriegszustand mit Israel, wurde auch zum Schauplatz blutiger Kämpfe zwischen syrischen und israelischen Soldaten. Aber es sind vor allem die Bürgerkriege und die Revolutionen, welche die Geschichte der letzten Jahrzehnte prägen. Beirut, das während des ersten Bürgerkriegs im Jahr 1982 spielt, gelingt es dann auch ganz gut, zumindest ein Gefühl für die damalige Lage des Landes zu erzeugen. Entführungen, Anschläge, Kämpfe innerhalb wie außerhalb der Grenzen – schon der bloße Aufenthalt in dem vorderasiatischen Staat ist ein Wagnis.
Wobei sich der von Brad Anderson (The Machinist, Stonehearst Asylum) inszenierte weniger um die Gefahr kümmert, der Skiles ausgesetzt ist. Da er als Vermittler von beiden Seiten gebraucht wird, kann drumherum noch so viel in die Luft fliegen, er selbst ist sicher. Richtig spannend ist Beirut an diesen Stellen da nicht, die Schauwerte sollen in erster Linie die Actionfreunde befrieden, für die Spionage gleichzeitig eben auch Spektakel sein soll. Gleichzeitig wollte Drehbuchautor Tony Gilroy, der sich mit den Bourne-Filmen einen Namen machte, bevor er mit Michael Clayton sein erfolgreiches Regiedebüt abgab, aber eben mehr.
Ein Film zwischen lauter Stühlen
Reine Actionfans werden mit Beirut, das auf dem Sundance Filmfestival 2018 Premiere feierte und bei uns als Netflix-Original erscheint, auch eher wenig glücklich werden. Dafür ist die Geschichte dann doch zu verworren, die Zusammenhänge zu kompliziert. Es geht eben nicht allein um den Bürgerkrieg, um gut und böse, auch andere Staaten mischen hier kräftig mit, das CIA sowieso. Zudem haben manche Beteiligte noch dunkle Geheimnisse, was den ohnehin schon wendungsreichen Plot noch weiter aufbläht. Es ist eine Gratwanderung, die der Film da wagt, zwischen überfrachtet und fesselnd, meistens erfolgreich.
Bei den Figuren gab sich Gilroy hingegen weniger Mühe. Während Beirut einen Einblick in die schwierigen Verhältnisse des Libanons bzw. des Nahen Osten gewährt, sind die Charakter sehr einfach gezeichnet. Skiles hat keine nennenswerte Persönlichkeit, was die üblichen Klischees wie die tragische Vorgeschichte und der Hang zum Alkohol wohl kaschieren soll. Bei der CIA-Offizierin Sandy Crowder, immerhin von der oscarnominierten Rosamund Pike (Gone Girl – Das perfekte Opfer) verkörpert, versuchte man nicht einmal das. Sie ist einfach da, weil man wohl der Ansicht war, eine Frau an der Seite des Ex-Diplomaten platzieren zu müssen. So richtig entscheiden kann sich der Film daher nicht, was er nun genau sein will, wie viel er auch von dem Publikum einfordern soll. Aber selbst wenn die Mischung aus sehr komplexen und sehr simplen Elementen nicht immer so ganz aufgeht, insgesamt ist der Thriller doch durchaus anschaubar, gerader auch für die Freunde etwas altmodischer Spionagegeschichten.
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