„Cleopatra“, Japan, 1970
Regie: Eiichi Yamamoto, Osamu Tezuka; Drehbuch: Shigemi Satoyoshi; Musik: Isao Tomita
In der fernen Zukunft hat es sich die Menschheit im Weltraum gemütlich gemacht. Wären da nur nicht die blöden Bewohner des Planeten Pasatorine, die angedroht haben, mithilfe des Cleopatra-Plans die Menschen zu stoppen. Aber wie soll das gehen? Was soll das für ein Plan sein? Um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, reisen die Agenten Jiro, Harvey und Mary per Psycho-Teleporter in das antike Ägypten und schlüpfen so in die Körper von Cleopatras Nahestehenden. Die wiederum ist gerade schwer beschäftigt: Julius Caesar ist dabei, Ägypten zu unterwerfen und zu einer Kolonie der Römer zu machen. Die schöne Königin soll dies nun verhindern – mithilfe ihrer Reize und ein klein wenig Gewalt.
Was lange währt, wird endlich … seltsam. Eigentlich ist Cleopatra ein alter Bekannter. Tatsächlich startete er bereits 1972 in den deutschen Kinos, damals unter dem Titel Cleo und die tollen Römer. Später wurde der Film auch mehrfach veröffentlicht, zuletzt in einer restaurierten Form im Herbst 2015. Nur war diese Fassung eben stark gekürzt. Genauer ist es die komplette Science-Fiction-Rahmenhandlung, die dem Publikum vorenthalten blieb. Zumindest bis jetzt. Im Zuge der Kinotour, welche die drei Teile der berühmten Animerama-Reihe auf deutsche Leinwände bringt, kommen wir nun endlich auch in den Genuss der Version, wie sie die japanischen Götter gewollt haben. Genauer der Gott des Mangas, Osamu Tezuka.
Toll trieben es die alten Japaner
Der war nämlich Ende der 1960er maßgeblich daran beteiligt, die Reihe überhaupt erst auf die Beine zu stellen. Zeichentrickfilme für Erwachsene sollten sie sein, klassische, bekannte Geschichten mit Humor und Erotik verbinden. Über Letzteres kann man sich streiten. Während Belladonna, für viele das Meisterwerk der Reihe, tatsächlich mit sexuellen Abgründen verstört, sind A Thousand & One Nights und eben Cleopatra eher lustvolle Klamotten. Ein bisschen nackte Haut, verbunden mit Humor für Zuschauer, die mitten in der Pubertät stecken.
Das ist teilweise unterhaltsam, auch weil Tezuka und sein Co-Regisseur Eiichi Yamamoto hier erneut eine Vorliebe für groteske Kombinationen haben. Der Science-Fiction-Part beispielsweise ist eigentlich völlig überflüssig, weshalb das Herausschneiden kein wirkliches Problem darstellte. Es führt jedoch dazu, dass die von den zukünftigen Menschen besessenen Protagonisten das eine oder andere Element einführen, die es damals gar nicht hätte geben dürfen – moderne Waffen beispielsweise. Außerdem ließen es sich die beiden nicht nehmen, bekannte Werke Tezukas wie Astro Boy oder Dororo einzubauen, obwohl sie so gar nicht hineinpassen.
Die Königin als willenlose Geliebte
Weniger glücklich ist, dass Cleopatra gleichzeitig derbe Komödie und tragisches Liebesdrama sein will. Wo anfangs noch der Spaß am Blödsinn überwiegt, wird die Titelheldin später zu einer reinen Drama Queen reduziert, die den Sinn ihres Lebens nur an der Seite von Männern sieht. Ohnehin ist ausgerechnet sie die uninteressanteste aller Figuren, da sie von allen Seiten nur als Mittel zum Zweck missbraucht wird, sei es zur Befreiung von Ägypten oder als Lustgespielin. Als eigenständiger Charakter bleibt sie jedoch blass, ohne echten Willen auch, vom Ende einmal abgesehen.
Insgesamt ist das Mittelstück der Trilogie inhaltlich der am wenigsten beglückende Teil. Wo A Thousand & One Nights noch durch die fantasievollen Märchen fesselte und das dämonische Belladonna sich mit der Unterdrückung der Frau auseinandersetzte, da ist Cleopatra recht belanglose Unterhaltung. Immerhin aber eine, die visuell erneut viel experimentiert: Ob es der blau-rote Kampf zwischen Rom und Ägypten ist, der Einsatz von Farben im Allgemeinen oder ein Finale, das mit minimalen Mitteln erstaunlich effektiven Horror verbreitet, zu sehen gibt es bei Mushi Productions wieder einiges. Ein richtig großer Klassiker ist das dann zwar doch nicht. Schön ist es aber, dass die Urgesteine des erwachsenen Animes nun einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden. Denn was hier experimentiert wird, das würde sich heute kaum einer mehr trauen.
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