„Für meine Tochter“, Deutschland, 2018
Regie: Stephan Lacant; Drehbuch: Michael Helfrich, Sarah Schnier; Musik: Rene Dohmen, Joachim Dürbeck
Darsteller: Dietmar Bär
Für Weltpolitik interessiert sich Benno Winkler (Dietmar Bär) eher wenig. Ein paar Medikamente hat der Apotheker für ein Flüchtlingsheim gespendet, ein bisschen Geld gibt es oben drauf. Ansonsten sind seine Gedanken aber in erster Linie bei seiner verstorbenen Frau. Da erreicht ihn die Nachricht, dass der Pass seiner Tochter bei einer toten Frau aus Syrien gefunden wurde, von ihr selbst fehlt jedoch jede Spur. Als ihn die Behörden zu seinem Entsetzen mit der Situation im Stich lassen, macht er sich selbst auf ins Kriegsgebiet, wo er seine Tochter zu finden hofft, und muss nun am eigenen Leib erfahren, was es heißt, in einem zerstörten Land unterwegs zu sein.
Die Auswirkungen des Syrienkriegs, von denen erfahren wir in regelmäßigen Abständen. Schließlich stehen da auf einmal lauter Leute an unseren Grenzen, die rein wollen – zum Ärger ganzer Bevölkerungsgruppen. Was es bedeutet, in einem anderen Land Asyl zu suchen, das haben schon diverse Filme in Angriff genommen, sei es im dokumentarischen oder im fiktionalen Bereich. Auch die Flucht als solche, die mit jeder Menge Gefahren und Leid verbunden ist, wurde des Öfteren thematisiert. Relativ wenig beachtet wurde jedoch die Ursachenforschung. Wie schlimm muss es irgendwo sein, wenn man alles zurücklässt, sämtliches Hab und Gut, oft auch die komplette Verwandtschaft, um in ein fremdes Land zu gehen, das dich nicht will und dessen Sprache du nicht sprichst?
Der Krieg in deutschen Wohnzimmern
Dass Für meine Tochter da für etwas Verständnis werben will, das ist kaum zu übersehen. Anders als das meisterhaft beklemmende Innen Leben, welches von einem belagerten Mehrfamilienhaus in Syrien erzählt, wählt der TV-Film einen deutschen Durchschnittsbürger zum Protagonisten, der stellvertretend fürs Publikum diese Reise antritt. Wenn der in das vom Krieg verwüstet Land fährt, dann eben nicht nur, um seine Tochter zu suchen. Vielmehr soll das Publikum durch seine Augen erfahren, wie verheerend die Lage in dem vorderasiatischen Staat ist. Die Hintergründe verstehen, die zu der Flüchtlingskrise beigetragen haben.
Das ist nicht sonderlich subtil in seiner Botschaft, wohl aber effektiv. Regisseur Stephen Lacant (Freier Fall) zeigt uns unterwegs die ganze Bandbreite des Horrors – zumindest in dem Rahmen, den eine Fernsehproduktion vorgibt. Große Schusswechsel werden eher gehört als gesehen, es gibt keine verstümmelten Leichen oder explorierende Häuser. Die braucht es aber auch nicht unbedingt. Für meine Tochter ist gar nicht dazu gedacht, mit adrenalingeladener Action die Zuschauer am Sesselrand festzukleben, unterscheidet sich dadurch vom thematisch verwandten Saras Tagebuch. Die notwendigen Themen finden aber auch so ihren Platz.
Der Tod auf Schritt und Tritt
Da sind die Hoffnungslosigkeit und die Hilflosigkeit der Menschen, die kontinuierliche Bedrohung, dass auch unbedeutende zivile Gebäude in Grund und Boden gebombt werden. Wer kann, macht sich aus dem Staub, sollte dafür aber Beziehungen haben und das nötige Kleingeld – in der Not hat Korruption nun einmal Hochkonjunktur. Und selbst dann gibt es keine Garantie, dass mal heil herauskommt, wie der Apotheker feststellen muss: Sein Geld, seine nette Art, seine Nationalität, all das spielt keine Rolle, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Und bei den falschen Leuten.
Für meine Tochter versucht dann auch gar nicht, inmitten dieses Chaos für Klarheit zu sagen. Ständig passiert hier irgendetwas, ohne dass einem klar würde warum. Richtig viel Tiefgang hat der Fernsehfilm, der auf dem Filmfest München 2018 Weltpremiere feiert, ohnehin nicht. Weder wird die Lage des Landes erläutert, noch der Protagonist als Charakter etabliert. Die kurze Szene zu Beginn muss reichen, um Anzeichen einer Persönlichkeit zu bekommen, die restliche Zeit ist er ein Getriebener. Einer, der nur noch reagiert, sofern er die Möglichkeit dazu bekommt. Richtig viel Mitgefühl lässt sich auf diese Weise nicht erzeugen, was der Absicht des Films etwas zuwiderläuft. Auch das konfuse Ende schmälert den Eindruck ein wenig. Dennoch: Die Geschichte um eine verzweifelte Suche ist eine engagierte Erinnerung daran, was in anderen Teilen der Welt vor sich geht, wenn hierzulande wieder fremdenfeindliche Parolen geschwungen werden.
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