Gute Manieren
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Gute Manieren

„As Boas Maneiras“, Brasilien/Frankreich, 2017
Regie: Juliana Rojas, Marco Dutra; Drehbuch: Juliana Rojas, Marco Dutra
Musik: Marco Dutra, Juliana Rojas, Guilherme Garbato, Gustavo Garbato
Darsteller: Isabél Zuaa, Marjorie Estiano, Miguel Lobo

Gute Manieren
„Gute Manieren“ läuft ab 26. Juli 2018 im Kino

So richtig beeindruckend ist der Lebenslauf von Clara (Isabél Zuaa) ja nicht. Eine wirkliche Ausbildung hat sie nicht, die Referenzen sind dürftig, mit Kindern hat sie bislang noch gar nicht gearbeitet. Und so jemand will sich als Kindermädchen bewerben? Und doch findet die hochschwangere Ana (Marjorie Estiano) Gefallen an der Frau, auch wegen ihrer ruhigen Art. Also bekommt Clara die Stelle, unter der Bedingung, dass sie sich gleichzeitig um den Haushalt kümmert – denn mit dem ist die alleinstehende neue Herrin völlig überfordert. Das Zusammenleben funktioniert erstaunlich gut, die beiden kommen sich mit der Zeit immer näher. Doch etwas stimmt nicht mit Ana, wie Clara bald feststellt, vor allem in Vollmondnächten benimmt sie sich sehr seltsam.

Ein bisschen leid kann es einem um den Werwolf ja schon tun. Während die filmische Zombie-Epidemie einfach nicht abebben will und auch Vampire auf der Leinwand und im heimischem Kämmerlein nicht totzukriegen sind, ist das tierische Horrorurgestein ziemlich in Vergessenheit geraten. Zumindest in Hollywood will keiner wirklich etwas von ihm wissen, im Gegensatz zu seinen blutsaugenden Kumpanen hat der Auftritt in Twilight nicht zu einer Renaissance geführt. Immerhin, wer sich ein bisschen umschaut, der findet zumindest bei kleineren Produktionen noch Beispiele, dass sich mit dem nächtlichen Verwandlungsfluch nach wie vor Geschichten erzählen lassen – sei es als Komödie (Game Of Werewolves – Die Jagd beginnt), klassischer Horror (Howl, Penny Dreadful) oder Drama (When Animals Dream).

Die Menschen hinter dem Wolfspelz
In letztere Richtung geht auch Gute Manieren, wenn weniger das Grauen als vielmehr die Figuren im Mittelpunkt stehen. Es ist sogar erstaunlich, wie viele Themen das Regie- und Drehbuchgespann Juliana Rojas und Marco Dutra in seinen Film packt. Da wäre der Kontrast zwischen den beiden Hauptfiguren: Ana ist verwöhnt, direkt, aus reichem Haus, weiß, Clara dafür ruhig, unterwürfig, in Geldnot und schwarz. Alleine aus dem Verhältnis der zwei und dem Klassen- bzw. Rassendenken hätte man eine für sich stehende Geschichte machen können, ganz ohne die übernatürlichen Elemente, die sich zunehmend daruntermischen.

Irritierender ist jedoch die Entscheidung, aus dem Horrordrama gleichzeitig auch noch eine lesbische Liebesgeschichte zu machen. Das LGBT-Publikum wird das freuen, denn in den vielen oft kaum voneinander zu unterscheidenden Beiträgen dieses Segments sticht Gute Manieren deutlich hervor. Fantastische, düstere Elemente gepaart mit einer gleichgeschlechtlichen Romanze und gesellschaftlichen Aspekten, das sieht man relativ selten. Am ehesten erinnert das noch an Animals vor einigen Jahren, in der es um zwei Jungs, einen sprechenden Teddybären und ein großes Massaker ging.

Der abseitige Horror
Letzteres bleibt hier aus. Hin und wieder darf man bei dem Beitrag vom Filmfest München 2018 ein wenig Blut sehen. Aber es wird sparsam eingesetzt, so wie auch die ohnehin seltenen grausigen Momente eher abseits der Kamera stattfinden. Wer angesichts der Werwolfthematik darauf spekuliert, dass hier die Fetzen fliegen, der ist bei Gute Manieren eher fehl am Platz. Zu sehen gibt es dabei anderweitig mehr als genug. Geradezu unwirklich schön sind die Bilder sogar, welche wir auf dieser filmischen Reise bewundern dürfen, gerade auch in den traumhaften Nachtaufnahmen.

Und doch, so ganz funktioniert das alles nicht so, die Mischung aus Hommage an die Horrorfilme von einst, Liebesdrama und Gesellschaftsporträt will nicht ganz aufgehen. Neben einigen unschöneren Elementen wie dem hässlichen CGI-Wolf und dem etwas dick aufgetragenen Ende bereiten auch Inhalt und Tempo ihre Probleme. Gerade weil Rojas und Dutra wahnsinnig viel erzählen wollen und eigentlich gleich zwei Filme auf einmal drehen, fehlt an einigen Stellen die Detailarbeit, etwa bei der überhasteten, kaum nachzuvollziehenden Romanze. Gleichzeitig ist Gute Manieren aber auch zu lang mit der 135-minütigen Laufzeit und der doch recht gemächlichen Erzählweise. Sich viel Zeit nehmen und dennoch nicht ans Ziel zu kommen, das ist nun mal nicht ideal. Andererseits darf man für jeden Filmemacher dankbar sein, der sich überhaupt derart ambitioniert zeigt, für jeden Verleih auch, der ein solches Werk regulär in die Kinos bringt. Wer offen bzw. in der Stimmung ist für ein etwas anderes Quasi-Märchen für Erwachsene, der sollte sich das hier daher nicht entgehen lassen – etwas Vergleichbares bekommt man schließlich nicht alle Tage zu sehen. In mehrfacher Hinsicht.



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Erst Drama mit gesellschaftlichem Anspruch, danach eine Romanze zwischen zwei Frauen, zum Schluss ein wenig Werwolfhorror – es ist schon eine sehr eigenartige Mischung, die uns „Gute Manieren“ da mitbringt. Das funktioniert zwar nicht alles ganz so wie gedacht, der Film will zu viel erzählen, lässt sich viel Zeit und kommt doch nicht so recht ans Ziel. Interessant ist der Film aber trotz diverser kleinerer Mängel, zudem unwirklich schön bebildert.
6
von 10