„Hanne“, Deutschland, 2018
Regie: Dominik Graf; Drehbuch: Beate Langmaack; Musik: Florian van Volxem, Sven Rossenbach
Darsteller: Iris Berben, Petra Kleinert
Das hatte sich Hanne (Iris Berben) anders vorgestellt. Ganz anders. Viele Jahre hatte sie für das Unternehmen gearbeitet, freute sich auf ihren Ruhestand. Doch schon der Abschied an sich geht schief, als ihr Chef in einen schweren Unfall verwickelt wird und sie nun seine für sie gedachte Abschiedsrede halten muss. Der größere Schock erwartet sie jedoch im Krankenhaus, als bei einer Untersuchung der Verdacht aufkommt, sie könne an Blutkrebs erkrankt sein. Die endgültige Antwort wäre aber erst am Montag da, so sagt man ihr. Ein komplettes Wochenende muss sie nun überbrücken. Ein Wochenende, an dem sie sich alten Bekannten widmet, das für sie aber auch der Aufbruch zu etwas Neuem sein wird.
Zu erfahren, dass man sterben muss, dürfte zu den schrecklichsten Erfahrungen gehören, die ein Mensch machen kann. Auf eine endgültige Antwort warten zu müssen, ob man sterben muss, das ist die reinste Folter. Zumindest für Hanne ist das, die es gewohnt war, immer alles in ihrem Leben zu regeln und auf alles eine Antwort zu haben. Nicht dass dieses immer einfach gewesen wäre. Ihre Ehe ist gescheitert, wie man anfangs erfährt. Auch die Beziehung zu ihrem Sohn scheint nicht wirklich auf Nähe zu basieren, wie sich später schließen lässt. Aber im Großen und Ganzen hat sie alles gemeistert, was ihr in den Weg kam.
Der Weg ist das Nicht-Ziel
Die Frage, was bei der Untersuchung am Ende rauskommt, die ist bei Hanne dann auch nur sekundär. Vielmehr handelt der TV-Film davon, wie jemand mit einem solchen Kontrollverlust umzugehen lernen muss. Die frisch pensionierte Hanne tut sich damit erwartungsgemäß schwer. Im einen Moment zeigt sie ihre gewohnte Souveränität, manchmal gar eine erschreckende Pragmatik. Doch das kann im nächsten schon wieder ganz anders aussehen, wenn die quälende Wartezeit auf die Antwort sichtlich Spuren hinterlässt.
Der von Dominik Graf (Am Abend aller Tage) inszenierte Film folgt dann auch keinem wirklichen roten Faden. Manche Begegnung von Hanne ist forciert, andere dafür rein zufällig. Das Drama, das auf dem Filmfest München 2018 Weltpremiere feiert, ist einem Roadmovie nicht unähnlich. Der Weg ist hier wie dort das Ziel. Aber es ist eher ein innerer Weg, den Graf hier aufzeigt, geografisch ist das Geschehen in Hanne eher überschaubar – auch wenn die Schauplätze dafür erstaunlich abwechslungsreich sind.
Zwischen kurios und traurig
Was Hanne dabei fehlt, ist ein eindeutiges Ziel oder auch eine Erkenntnis, die sich aus der Erfahrung der Titelheldin ergibt. Sie wird zwar um ein paar Erlebnisse reicher sein, manche traurig, andere kurios. Vor allem eine Begegnung zum Ende hin wirkt so, als stammte sie aus einem ganz anderen Film. Dass diese Grenzerfahrung aus ihr einen anderen, besseren Menschen gemacht hätte, so wie es bei Road Movies üblich ist, das lässt sich hier jedoch nicht erkennen. Selbst die Begegnung mit einer Jahrzehnte zurückliegenden Beziehung bleibt seltsam folgenlos, ist weder Abschluss noch Aufbruch in ein neues Leben.
Doch dafür gibt es ja Iris Berben (High Society). Und wenn die Veteranin hier eines zeigt, dann dass sie noch immer für Hauptrollen gut ist. Sie macht es einem leicht, mit Hanne mitzufühlen, egal ob diese nun ihre intellektuelle oder doch die emotionale Seite in sich zeigt. Die auch schon mal mit Spott reagiert, wenn es die Situation erfordert, genauso aber auch zerbrechlich wirken kann. Ein wirklicher Angriff auf den Taschentuchvorrat ist Hanne dabei aber nicht, will das auch gar nicht sein. Stattdessen ist der Film eine wenn auch zurückhaltende Auseinandersetzung mit dem Leben und der eigenen Sterblichkeit. Damit, dass vieles nichts so läuft, wie wir es gern hätten, und uns manchmal nichts anderes übrigbleibt, als hilflos zuzusehen und das Beste draus zu machen.
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