Lust Stories
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Lust Stories

„Lust Stories“, Indien, 2018
Regie: Karan Johar, Zoya Akhtar, Dibakar Banerjee, Anurag Kashyap
Darsteller: Radhika Apte, Akash Thosar, Neil Bhoopalam, Bhumi Pednekar, Jaideep Ahlawat, Manisha Koirala, Kiara Advani, Vicky Kaushal

Lust Stories
„Lust Stories“ ist seit 15. Juni 2018 auf Netflix verfügbar

Dass das asiatische Kino hierzulande ein Schattendasein führt, das haben wir ja schon mehrfach beklagt. Während zumindest Fernost aber regelmäßig auf die eine oder andere Weise den Weg in den Westen findet und sich auch der Iran erstaunlich oft blicken lässt, sieht es bei einem anderen Kandidaten richtig düster aus – und das obwohl er eigentlich prädestiniert wäre. Die Rede ist natürlich von Indien, das nicht nur weltweit die meisten Filme produziert, sondern auch was die Zahl der Eintrittskarten vor den USA liegt. Außerhalb bekommt man davon jedoch kaum etwas mit, der Markt ist deutlich abgeschotteter als beispielsweise der von China. Das liegt sicher an der Vielzahl an Sprachen, die das Lokalisieren zu einem Albtraum machen, aber auch an den großen Unterschieden innerhalb des Landes. In Deutschland bedeutet das, dass wir von gelegentlichen Ausnahmen wie dem Thriller Psycho Raman und der Science-Fiction-Komödie PK – Andere Sterne, andere Sitten einmal abgesehen, fast ausschließlich Bollywood-Massenware zu sehen bekommen. Und selbst die nur versteckt.

Auch deshalb ist es schön, dass Streaminggigant Netflix bei seinen cineastischen Welteroberungsversuchen unter anderem beim östlichen Subkontinent Halt macht. Während die Thrillerserie Der Pate von Bombay noch bis Anfang Juli auf sich warten lässt, werden in der Zwischenzeit mit Lust Stories erst einmal die Anhänger von Liebesgeschichten bedacht. Anders als es der Titel impliziert, ist die Quasi-Fortsetzung von Bombay Talkies jedoch kein Fall für Voyeure. Sex kommt in dem Film zwar vor, hat mit Lust jedoch nur wenig zu tun und wird auch nur sehr züchtig dargestellt.

Hysterische Möchtegernbeziehung
Stattdessen widmen sich die vier Einzelgeschichten vor allem den emotionalen Aspekten einer Beziehung. Oder auch denen einer Nichtbeziehung. Von einem solchen Zwischenstadion handelt die erste Geschichte, in der eine verheiratete Professorin (Radhika Apte) mit einem ihrer Studenten (Akash Thosar) ins Bett steigt. Ein One-Night-Stand soll es sein, so sagt sie ihm so sagt sie es in die Kamera, wenn sie mal wieder die vierte Wand durchbricht. Und komisch soll es sein, wenn sie ihn anschließend völlig besitzergreifend stalkt, jeden seiner Schritte beobachtet, gleichzeitig seine mangelnde Reife beklagt. Dass in einer indischen Liebesgeschichte die Frau den Ton angibt, ist irgendwo erfrischend. Leider ist die aufgesetzte Hysterie der unsicheren Despotin aber in erster Linie anstrengend, der Abschnitt ist weder unterhaltsam, noch hat er etwas Nennenswertes zu sagen.

Deutlich besser macht es schon der zweite Kurzfilm, in dem ein begehrter Junggeselle (Neil Bhoopalam) mit seiner Haushälterin (Bhumi Pednekar) schläft. Demütigend wird es für Letztere, als später die komplette Verwandtschaft eintrudelt, ebenso die junge Dame, mit der der IT-Experte verheiratet werden soll. Im Gegensatz zu der ersten Protagonistin ist diese hier unterwürfig, was von ihrer Position auch erwartet wird, muss am Ende sogar ihre Rivalin bedienen, ohne dass jemand etwas von ihrer inneren Qual erfährt. Zumindest in Ansätzen wird bei diesem sehr leisen Drama über die indische Gesellschaft geredet. Richtig viel kommt dabei zwar nicht raus, anschauen kann man sich das Ergebnis aber.

Das recht auf weibliche Selbstbestimmung
Gleiches gilt für den dritten Streich, der von einem unglücklichen Ehepaar (Jaideep Ahlawat und Manisha Koirala) berichtet. Hier ist es wieder die Frau in der Runde, die keinen besonders guten Eindruck hinterlässt, als sie ihren Mann betrügt. Anders als die nervtötende Variante vom Auftakt ist diese hier aber zumindest menschlich genug, dass man sich in ihr wiederfinden kann. Der Frust, letztendlich nur Anhängsel ihres Mannes zu sein, treibt sie in die Arme seines besten Freundes. Interessant ist dabei, dass die in einem höheren Milieu spielende Geschichte der Frau zumindest das Recht eingesteht, ein besseres Leben haben zu wollen. Lust Stories zeigt hier eine Gesellschaft im Umbruch und die langsame Abkehr von Traditionen.

Das gilt auch für die vierte und letzte Geschichte, bei der ebenfalls ein Ehepaar (Kiara Advani und Vicky Kaushal) mit Problemen im Mittelpunkt steht. Die einzige Geschichte, die dem Titel der Sammlung gerecht wird. Denn im Bett klappt es da einfach nicht, zumindest nicht so, wie sie es sich vorstellt. Während er innerhalb von ein paar Sekunden ans Ziel kommt, geht sie regelmäßig leer aus. Die Rolle der Frau beschränkt sich, so die Anweisung der Mütter, darauf, Kinder zu gebären. Spaß bei der Sache? Das ist Vorrecht des Mannes. Wenn sich der Film hier für die Gleichberechtigung einsetzt, dann ist das sympathisch, an einigen Stellen auch witzig, gewinnt durch die sympathischen Darsteller. Umso enttäuschender ist, wie plump der Humor zum Ende hin wird. Feingeister haben hier nichts zu suchen, der Film ist hier nicht von den derben Komödien zu unterscheiden, mit denen Hollywood das Publikum zum Lachen prügeln will. Trotz interessanter Ansätze, im Einzelnen wie auch im Gesamtpaket, enttäuscht Lust Stories daher, wird dem Versprechen des Konzepts aufgrund zu vieler Banalitäten nie wirklich gerecht.



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Vier Geschichten über Lust und Liebe, vier Geschichten über das Leben im heutigen Indien – das verspricht der Episodenfilm „Lust Stories“. Das Versprechen wird aber nur zum Teil erfüllt. Während die leiseren Momente ein Land zwischen Tradition und Wandel aufzeigen, ist der Humor oft zu hysterisch und plump, interessante Ansätze gehen in Banalitäten verloren.
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von 10