Samouni Road

„La strada dei Samouni“, Frankreich/Italien, 2018
Regie: Stefano Savona; Musik: Giulia Tagliavia

Samouni Road
„Samouni Road“ läuft im Rahmen des 36. Filmfests München (28. Juni bis 7. Juli 2018)

Animationsfilme, so wird der eine oder andere überzeugt sein, das sind in erster Linie bunte Filmchen, um Kinder bei Laune zu halten. Während die bekanntesten Vertreter sicher in diese Gruppe fallen, zeigen doch viele Werke, dass diese Techniken auch zu anderen Zwecken eingesetzt werden können. Ein großer Vorteil: Mit Zeichnungen, Computeranimationen oder auch anderen Animationsmethoden lassen sich Szenen darstellen, die als Realvariante unmöglich wären oder zumindest nicht überzeugend.

Diesen Vorteil machen sich dann und wann auch die Macher von Dokumentarfilmen zunutze, wenn sie auf diese Weise Leerstellen ausfüllen. Kishon ließ beispielsweise durch animierte Nachstellungen eines Gesprächs den israelischen Schriftsteller Ephraim Kishon wiederaufleben. In 1917 – Der wahre Oktober durften wir mehr über die Oktoberrevolution erfahren, ohne dabei unsere Zeitmaschine in Betrieb nehmen zu müssen.

Aufarbeitung einer Tragödie
Auch Stefano Savona nutzt in Samouni Road dieses Angebot, um ein vergangenes Ereignis zu veranschaulichen, von dem es keine Bilder gibt. Von dem wir vielleicht auch gar keine echten Bilder sehen wollten. 29 Menschen starben 2009 nahe von Gaza-Stadt, als Israelis einen Luftangriff auf eine palästinensische Siedlung flogen. Zivilisten, Frauen, Kinder, Angehörige und Freunde – die Tragödie kostete viele das Leben, wird auch die Überlebenden für immer zeichnen.

Der Dokumentarfilm, der seine Weltpremiere auf der 2018er Directors’ Fortnight in Cannes feierte, lässt die Leute zu Wort kommen, die den Angriff überstanden, spricht mit ihnen über die Vergangenheit und die Gegenwart. Er versucht aber eben auch, die Ereignisse selbst nachzustellen. Die Basis hierfür lieferten neben Augenzeugenberichten auch Informationen des Roten Kreuzes sowie das Ergebnis einer Untersuchung, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Dies sind dann auch die Passagen, die mittels Animation realisiert wurden.

Ein Albtraum in Schwarz und Weiß
Schön anzusehen sind die natürlich nicht, sollen es ja auch gar nicht sein. Die kurzen Computerszenen sind einfach gehalten, aber absolut zweckmäßig, zeigen aus der Vogelperspektive – quasi der der Angreifer –, wie das Haus explodiert und die Menschen versuchen zu entkommen. Stärkeren Eindruck hinterlassen die tatsächlich gezeichneten Szenen, völlig in Schwarzweiß gehalten und schraffiert, zu Leben erweckte Skizzen. Detailliert sind sie, gleichzeitig aber auch fremd, realistisch und surreal in einem. Savona gelingt es auf diese Weise, den unwirklichen Horror zu verdeutlichen, einen tragischen Albtraum, aus dem es kein Entkommen gibt.

Aber selbst die Momente, in denen der Beitrag vom Filmfest München 2018 mit den realen Menschen spricht, können mitunter sehr hart sein. Wenn sie durch die Trümmer laufen, versuchen letzte Habseligkeiten zu retten, darauf hoffen, dass der aufkommende Gestank von einem toten Tier stammt und nicht einer weiteren, bislang unentdeckten Leiche. Dazu gesellen sich persönliche Anekdoten und Erinnerungen sowie eine herzzerreißende Szene, wenn ein Mädchen davon träumt, nach Jerusalem zu gehen. Ein bisschen lang ist Samouni Road geworden mit seiner Laufzeit von 130 Minuten, zumal zum Ende hin einige Szenen unnötig überdeutlich werden, anstatt sich auf die nüchternen Schilderungen zu verlassen, die einen Großteil des Films ausmachen. Denn zu dem Zeitpunkt ist der Dokumentarfilm bereits so sehr durch Mark und Bein gegangen, dass es keine weiteren Worte mehr gebraucht hätte.



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„Samouni Road“ schildert anhand von Gesprächen sowie animierten Rekonstruktionen, wie 2009 bei einem Luftangriff der Israelis 29 Palästinenser getötet wurden, darunter Frauen und Kinder. Die persönlichen Schilderungen gehen durch Mark und Bein, gerade auch während der alptraumhaften gezeichneten Szenen. Da hätte es die überdeutlichen Momente zum Ende hin gar nicht mehr gebraucht.