„Dà fó pǔ lā sī“, Taiwan, 2017
Regie: Hsin-yao Huang; Drehbuch: Hsin-yao Huang; Musik: Sheng-xiang Lin
Darsteller: Cres Chuang, Bamboo Chen, Leon Dai
Die ganz große Karriere wird Pickle (Cres Chuang) wohl kaum mehr machen, dafür mangelt es ihm einfach an zu viel. Talent zum Beispiel. Durchsetzungskraft. Oder Antrieb. Nicht einmal die Arbeit, die er hat, macht er richtig. Andererseits, als Nachtwächter in einer Fabrik, die Buddha-Bronzestauen herstellt, ist auch eher selten was zu tun. Zum Glück ist da ja aber noch Belly Bottom (Bamboo Chen), der ihm Gesellschaft leistet, weil er als Müllsammler selbst nicht übermäßig beschäftigt ist. Sie machen aber auch zusammen nicht viel, eigentlich schauen sie nur fern und warten darauf, dass die Nacht irgendwann vorbei ist. Als dann aber der Fernseher seinen Geist aufgibt, muss eine Alternative her. Und Belly Bottom hat auch schon eine Idee: Sie schnappen sich die Speicherkarte aus der Autokamera von Pickles Boss Kevin (Leon Dai) und schauen sich die Aufnahmen darauf an.
Schon der Titel verrät, dass Hsin-yao Huang mit The Great Buddha+ einen nicht ganz alltäglichen Film abgeliefert hat. Das ungewöhnliche Plus, das der taiwanesische Regisseur und Drehbuchautor darin platziert hat, bezieht sich dabei auf die Entstehungsgeschichte: Huang hatte den Stoff schon einmal in Form eines Kurzfilms umgesetzt. Nun versuchte sich der Macher erstmals an einem längeren Spielfilm und erweiterte das bisherige Produkt einfach – Revisionen à la Apple lassen grüßen. Während man über die dreisten Versuche der Unternehmen, mit minimalen Änderungen noch einmal Kasse zu machen, geteilter Ansicht sein kann, ist diese Neuauflage jedoch ziemlich erfreulich. Denn es ist die Langfassung, mit der der taiwanesische Filmemacher international Aufmerksamkeit erregte.
Wenn zwei sich langweilen, lacht der Dritte
Die Einteilung in ein Genre fällt hier nicht ganz leicht. Drama heißt es in den eingängigen Filmdatenbanken. Und tatsächlich wollte Huang mit The Great Buddha+ ja auch die traurige, desolate Lage der Bevölkerung aufzeigen, denen jegliche Perspektive fehlt. Nur tut er dies mit sehr viel Humor. Gerade zu Beginn könnte man meinen, dass er eine Komödie über zwei antriebslose Verlierer gedreht hat, das fernöstliche Pendant zu den amerikanischen Slacker Comedies.
Gleichzeitig lässt Huang aber keinen Zweifel daran, dass er hier mehr vorhat. Von Anfang an pulverisiert er genüsslich die vierte Wand, indem er beispielsweise die Relevanz seiner eigenen Nebenfiguren kommentiert. Und auch die Gespräche zwischen Pickle und Belly Bottom lassen darauf schließen, dass man sich hier immer der Zuschauer draußen vor den Fernsehern und Leinwänden bewusst ist. Bei einem Film, der davon handelt, wie zwei Leute ihr erbärmliches Leben damit füllen, anderen zuzuschauen, ist das zweifelsfrei ironisch.
Von Meta in die dunklen Abgründen
Der Humor springt aber auch nicht nur zuweilen auf andere Ebenen, er ist auch schön schwarz. The Great Buddha+ befasst sich eben nicht nur mit zwei Verlierern und ihrer kuriosen Besessenheit mit nichtssagenden Aufnahmen von Autofahrten. Wenn die beiden auf diese Weise Einblicke erhalten in das Leben von Pickles nicht ganz so vorbildlichem Boss, dann verschiebt sich auch der Genrefokus. Der Beitrag vom Filmfest München 2018 wird jetzt schon fast zu einem Thriller, eine Mischung aus den dauerkommentierenden Beavis & Butthead, Hitchcocks Das Fenster zum Hof und dem bis vor Kurzem so populären Found-Footage-Mechanismus.
Während Huang inhaltlich vieles in der Schwebe hält, sind die Bilder umso klarer. Und nicht minder ungewöhnlich: Die Momente aus dem realen Leben, wenn Pickle und Belly Bottom unterwegs sind oder vor dem Bildschirm sitzen, wurden in betörenden Schwarzweiß-Bildern eingefangen. Im starken Kontrast dazu sind allein die Aufnahmen aus dem Auto farbig, auf eine überdrehte Neon-Weise sogar. Das ist nicht nur die Veranschaulichung eines erbärmlichen Lebens, das die einzige Abwechslung in den Ausschnitten eines anderen findet. Es sieht auch toll aus. Dass The Great Buddha+ bei den Asian Film Awards 2018 für die beste Kamera nominiert war, ist daher ebenso nachvollziehbar wie die Nominierung für die Musik – auch weil die mit ihrer fröhlich-verspielten Art so gar nicht zu dem bitteren Inhalt passt. Zu 100% ist das + vielleicht nicht geglückt, der Film tut sich parallel zu den beiden Protagonisten ein wenig schwer, die Laufzeit richtig zu füllen. Freunde ungewöhnlicher Komödien, sollten diesen ebenso deprimierenden wie absurden Streifen aber im Auge behalten.
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