„The Rider“, USA, 2017
Regie: Chloé Zhao; Drehbuch: Chloé Zhao; Musik: Nathan Halpern
Darsteller: Brady Jandreau
Ein Leben abseits der Rücken der Pferde? Das war für Brady Blackburn (Brady Jandreau) bislang kein Thema. Das Reiten ist seine Leidenschaft, kein Pferd, so wild es auch sein mag, kann ihn davon abhalten. Bis sich der Rodeo-Reiter schwer verletzt. Schonen soll er sich und seinen bandagierten Kopf, in dem jetzt eine Metallplatte sitzt, um Schlimmeres zu verhindern. Doch während die Ärzte dazu raten, dass er das mit dem Reiten in Zukunft ganz bleiben lassen soll, ist Brady davon überzeugt, dass er schon bald wieder in den Sattel steigt. Nur allmählich realisiert er, dass er sein bisheriges Leben vielleicht nie wieder aufnehmen kann.
Fakt und Fiktion, das sind – zumindest unserer Vorstellung nach – zwei Welten, die sich gegenseitig ausschließen sollten. Entweder ist etwas erfunden oder es ist real, beides zusammen geht nicht. Diese starke Trennung wird aber doch immer mal wieder in Frage gestellt, im Politischen, wenn alternative facts eine eigene Deutungshoheit für sich reklamieren. Aber auch im filmischen sind die Grenzen sehr viel fließender, als man meinen würde: Dokumentarfilme, die Geschichten erzählen. Spielfilme, die auf dem wahren Leben basieren.
Der exotische Alltag
Ein Beispiel für Letzteres ist The Rider, das nach seinem Debüt in Cannes und diversen Festivalauftritten nun auch die hiesigen Kinos erreicht. Sehr exotisch mutet es zunächst an, was Regisseurin und Drehbuchautorin Chloé Zhao hier so zu erzählen hat. Ein junger Mann indianischer Abstimmung, der seine Zukunft beim Rodeo-Reiten sieht, das entspricht nicht unbedingt unserer Erfahrungswelt. Das Männlichkeitsideal in ihrem Western-Drama ist ebenfalls nur bedingt auf hiesige Verhältnisse zu übertragen.
Und doch schafft es die in China geborene Filmemacherin hier, eine sehr universelle Geschichte zu erzählen. The Rider ist eben nicht nur ein Werk über einen begabten Reiter. Es ist in erster Linie ein Werk über einen jungen Mann, der sich von seiner eigenen Vergangenheit lösen muss. Das beinhaltet, feste Traditionen zu hinterfragen, aber auch sich mit der Welt da draußen auseinanderzusetzen. Der Realität eben. Wenn der Weg, den du für dich gesehen hattest, plötzlich unwiderruflich verschwindet, dann liegt es an dir, einen anderen zu finden.
Die Wahrheit liegt irgendwo da draußen
Man könnte Coming of Age dazu sagen, wenn man so will. Das mühsame Erwachsenwerden in einer komplizierten Welt. Wobei The Rider aber nicht von Wegen erzählt, die so zahlreich sind, dass sie dich überfordern. Im Gegenteil, im Leben von Brady mangelt es an tatsächlichen Perspektiven. Ohne seine Pferde bleibt ihm nur der Aushilfsjob an der Kasse. Es bleibt ihm seine Familie. Es bleiben ihm die weiten Landschaften, die den Film immer wieder zu einer Augenweide machen, selbst dann, wenn die Geschichte eigentlich recht düster ist.
Zum Teil basiert diese auf den Erlebnissen der Laiendarsteller, mit denen Zhao arbeitet. Brady Jandreau, der die Rolle des verunglückten Reiters übernimmt, war selbst ein Cowboy, bis ein Pferd seinen Schädel zertrampelte. Seine Filmfamilie wiederum wird von seiner realen verkörpert. Und auch andere spielen Varianten von sich selbst. Und doch ist The Rider eben keine bloße Wiedergabe der zugrundeliegenden Ereignisse, sondern verwandelt diese in eine universelle Geschichte über das Loslassen und Neuanfangen. Das ist wenig überraschend sehr authentisch, gleichzeitig aber eben auch kunstvoll. Eine leise Auseinandersetzung mit dem, was von dir übrig bleibt, deinen Träumen übrig bleibt, wenn das Leben ganz eigene Pläne verfolgt.
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