303
© Alamode Film

„303“, Deutschland, 2018
Regie: Hans Weingartner; Drehbuch: Hans Weingartner, Silke Eggert; Musik: Michael Regner
DarstellerAnton Spieker, Mala Emde

303
„303“ läuft ab 19. Juli 2018 im Kino

Das hatte sich Jule (Mala Emde) alles etwas anders vorgestellt. Ihre mündliche Prüfung hat die 24-jährige Biologiestudentin zumindest so richtig verkackt. Und irgendwie ist sie sich ja auch gar nicht mehr sicher, ob das der richtige Weg ist und was sie mit ihrem Leben anfangen will. Also schnappt sie sich erst einmal das Wohnmobil mit dem Ziel, zu ihrem Freund nach Portugal zu fahren. Gesellschaft erhält sie dabei von dem unterwegs aufgeschnappten gleichaltrigen Politikwissenschaftler Jan (Anton Spieker), der ebenfalls einmal alles überdenken will, Zukunft wie Vergangenheit, der teilweise deutlich andere Ansichten vertritt als sie, sich jedoch gleichermaßen an einer Weggabelung befindet.

Dass eine gemeinsame Autofahrt ein idealer Anlass ist, um sich gegenseitig besser kennenzulernen – im Guten wie im Schlechten –, das haben uns unzählige Filme vorgemacht. Ob sich nun wie zuletzt zwei Wildfremde in Camino a La Paz spirituell näherkommen oder in den deutschen Werken Helle Nächte und Leanders letzte Reise entfremdete Verwandte mehr über den anderen (und sich selbst) erfahren dürfen, der Weg ist immer das Ziel. Der Ort, an den die Protagonisten wollen, ist da oft zweitrangig, dient lediglich als Aufhänger, damit die Reise überhaupt stattfindet.

Ach, ist doch alles egal
Das ist bei 303 nicht anders. Selten ging dabei jedoch jemand so kaltschnäuzig, um nicht zu sagen dreist vor wie Hans Weingartner (Das weiße Rauschen, Die fetten Jahre sind vorbei). Der Regisseur und Co-Autor gibt seinen beiden Protagonisten gewichtige Gründe mit auf den Weg, warum sie die lange Fahrt in den Süden Europas antreten sollen. Er interessiert sich aber gar nicht dafür, lässt die Themen irgendwie plötzlich fallen oder nutzt einen Ausweg, der ebenso faul wie ärgerlich ist. Bei allem Verständnis dafür, dass sein Film woanders hin will, das ist hier doch mehr als unglücklich gelöst – umso mehr, da beide Szenarien sehr ungewöhnlich sind.

Und auch vorher gibt das Drama, das auf der Berlinale 2018 Premiere feierte, immer wieder Anlass zum Ärger. Fast nichts, was in 303 geschieht, wirkt so, als wäre es aus dem Leben entnommen. Als wären hier wirklich zwei ganz normale Menschen auf den Straßen Europas unterwegs. Das fängt bei den zu sehr auf Zufällen aufbauenden Ereignissen. Es setzt sich in der Sprache fort: Jule und Jan bauen in ihren Dialogen immer wieder obskure Statistiken oder Forschungsergebnisse ein, die sie für alles parat haben. Außerdem sind sie in der Lage, sich in jeder Sprache zu verständigen – Französisch, Spanisch, Portugiesisch –, ohne dass je ersichtlich ist, warum zwei Nicht-Sprachstudenten so viele Sprachen beherrschen sollten. Und es gibt die obligatorischen dramatischen Zuspitzungen, die dem Film noch das letzte Rest Glaubwürdigkeit nehmen.

Ein wunderbar charismatisches Paar
Und doch: Was sich hier schlecht liest und in Drehbuchform größere Mängel hat, im Film selbst wird vieles davon sekundär. Aus einem Grund, genauer zweien: die beiden Hauptdarsteller. Mala Emde (Wir töten Stella, Offline – Das Leben ist kein Bonuslevel) und Anton Spieker haben die Gabe, selbst die konstruiertesten Momente irgendwie wunderbar leicht aussehen zu lassen. Wenn sich die beiden begegnen, dann hat man als Zuschauer das Gefühl, dass das einfach richtig so ist, dass es so gehört. Dass es vielleicht auch nicht schlimm ist, wenn sie sich widersprüchlich verhalten oder Sachen sagen, die unpassend sind.

Am schönsten ist 303 dann auch, wenn Weingartner gar keine großen inhaltlichen Ambitionen verfolgt. Wenn er nicht philosophischen Überlegungen nachgeht oder existenzielle persönliche Probleme wälzt. Es sind die kleinen Momente, die den Film auszeichnen, ihn teilweise zu etwas Besonderem machen. Ein kleines süßes Präsent im richtigen Augenblick, ein verstohlener Blick, die Suche nach Worten, der verschämte Griff zu den Sachen des anderen. Das sind die Szenen, in denen man vergisst, dass das hier ein Film ist. Zwei Menschen auf der Suche nach Antworten und sich selbst. Zwei Menschen, die für ihr junges Alter schon einen erstaunlichen Knacks bekommen haben, aber so viel Charisma mitbringen, dass man selbst dann gern Zeit mit ihnen verbringt, wenn sie nicht viel tun. Vor allem wenn sie nicht viel tun. Die schönen Aufnahmen, gepaart mit ruhigem Indiefolk machen diese Reise trotz aller Schlaglöcher und Stolpersteine zu einer recht angenehmen, berührenden – sofern man die mit 140 Minuten schon sehr üppige Laufzeit in Kauf nimmt.



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Zwei junge Menschen, jeder von ihnen an einem Scheideweg, begegnen sich per Zufall und setzen ihre Reise gemeinsam fort: Die Suche nach Antworten und sich selbst ist an vielen Stellen hoffnungslos konstruiert, legt so gar keinen Wert auf Glaubwürdigkeit. Die beiden angeknacksten Hauptfiguren sind aber einzeln und auch in Kombination mit so viel Charisma unterwegs, dass „303“ am Ende doch irgendwie sehenswert ist.
6
von 10