A BRANCH OF A PINE IS TIED UP

A Branch of a Pine Is Tied up

„Matsu ga eda o musubi“, Japan, 2017
Regie: Tomoyasu Murata; Drehbuch: Tomoyasu Murata; Musik: Tatsuhide Tado

Japan und Animation, da denkt natürlich jeder erst einmal an den guten alten Anime. Doch etwas versteckt hinter einer der letzten Bastionen des Zeichentricks gibt es auch eine kleine, aber feine Stop-Motion-Szene, die uns immer wieder mit ungewöhnlichen Schätzen belohnt. Das alptraumhafte Science-Fiction-Abenteuer Junk Head und der reizende Kinder-Puppenfilm Chieri and Cherry bilden dabei quasi die entgegengesetzten Pole. Irgendwo dazwischen findet sich A Branch of a Pine Is Tied Up wieder, ein gerade mal 16 Minuten langer Animationszwerg.

Aber diese gute Viertelstunde hat es in sich. In seiner dritten Puppenarbeit verarbeitet Regisseur und Drehbuchautor Tomoyasu Murata die Ohnmacht gegenüber den Naturgewalten, wie sie Japan 2011 bei dem verheerenden Erdbeben mit anschließendem Tsunami erlebt hat. Aber auch Spiritualität spielt in die Geschichte um zwei Zwillingsmädchen hinein, die in einem Wald Abenteuer erleben, losgelöst von der Gegenwart und Zivilisation, verfolgt von Träumen und Erinnerungen.

Ein stimmungsvolles Rätsel voller Melancholie
Wirklich konkret wird A Branch of a Pine Is Tied Up dabei nicht, spielt lieber mit Stimmungen und Bildern als mit einem fassbaren Inhalt. Gesprochen wird hier kein Wort, von einer kurzen, per Hand geschriebenen Notiz einmal abgesehen verzichtet der Film völlig auf Sprache. Es liegt am Publikum, in den vielen sehr symbolbeladenen Elementen – darunter ein Hase und eine Schneekugel – einen eigenen Sinn zu finden, dem wortlosen Gedicht seine Sprache zu geben.

Sehr sinnlich ist der Beitrag von den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen. Das Rascheln der Blätter, ein Knacken im Hintergrund, während eine sanfte Klaviermusik ertönt. Eine melancholische Musik, so wie A Branch of a Pine Is Tied up insgesamt von Melancholie erfüllt ist. Das Gefühl des Verlustes, Einsamkeit, während die Mädchen durch die Welt streifen, dabei Grenzen zwischen Realität und Fantasie, Gegenwart und Vergangenheit verschwinden. Murata zeigt sich als Meister der Atmosphäre, detailverliebt und wohltuend altmodisch. Aber eben auch zeitlos, so wie sein rätselhaft-assoziativer Kurzfilm unabhängig von Zeit und Raum zu existieren scheint.



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„A Branch of a Pine Is Tied up“ erzählt ohne Worte, und doch sehr poetisch die Geschichte von zwei Zwillingsmädchen. Der Stop-Motion-Kurzfilm ist dabei atmosphärisch wunderbar, sehr sinnlich, aber eben auch rätselhaft, arbeitet viel mit Symbolen, anstatt dem Publikum Konkretes an die Hand zu geben.
8
von 10