„American Animals“, USA, 2018
Regie: Bart Layton; Drehbuch: Bart Layton; Musik: Anne Nikitin
Darsteller: Barry Keoghan, Evan Peters, Blake Jenner, Jared Abrahamson
Eigentlich weiß Spencer (Barry Keoghan) ja schon, was er werden will: Künstler! Aufregend ist sein Leben jedoch nicht gerade. Und auch sein bester Freund Warren (Evan Peters) würde sich wünschen, dass da mal etwas passiert, etwas Interessantes. Sie irgendwie aus ihrer banalen Durchschnittlichkeit herausfinden. Da erfahren sie zufällig, dass in einem speziellen Raum ihrer Unibibliothek wahre Schätze warten. Wenn sie es schafften, die alten Bücher zu stehlen, sie könnten ein Vermögen damit verdienen, endlich das Leben führen, nach dem sie sich so sehnen. Doch dafür brauchen sie Hilfe, weshalb sie Eric (Jared Abrahamson) und Chas (Blake Jenner) mit ins Boot holen und gemeinsam einen Plan schmieden, wie sie möglichst unbemerkt die Kostbarkeiten aus der Bibliothek schaffen.
Die Faszination der Menschen an den kriminellen Machenschaften ihrer Mitbürger nimmt kein Ende. Vor allem Netflix ist sehr darum bemüht, das Bedürfnis zu befriedigen und wirft unentwegt neue Crime Dokus auf den Markt – zuletzt etwa Evil Genius. Dass es auch anders geht, das beweist hier Bart Layton. Mit einer kühnen Aussage beginnt sein neuestes Werk: „This is not based upon a true story“, klärt eine Texttafel auf. „This is a true story.“ Ob er damit wirklich die Massen an Filmen und Serien kritisiert, die von sich behaupten, doch alle nur die Wahrheit zu erzählen, obwohl sie recht frei damit umgehen, das lässt er hierbei offen. Was er damit jedoch zeigt ist, dass er die Geschichte mit Humor nimmt.
Fakt + Fiktion = großer Spaß
Dieses Versprechen wird der Regisseur und Drehbuchautor später einlösen, oft und auch erfolgreich. Dabei vertraut der Amerikaner vor allem auf zwei Punkte, um die wahre Geschichte eines Raubes im Jahr 2004 ein bisschen unterhaltsamer zu machen. Da wäre zum einen Laytons Vorliebe dafür, die Grenzen zwischen Dokumentation und Spielfilm aufzulösen. Eine Vorliebe, die er schon bei Der Blender – The Imposter über einen Jungen zeigte, der ganz gerne mal fremde Identitäten annahm und sich bei einer fremden Familie einschlich.
Beispielsweise schauen wir nicht nur den vier Jungschauspielern zu, wie sie die damaligen Räuber verkörpern. Auch die Räuber selbst tauchen hier auf, erzählen ihre Sicht der Dinge. So etwas kommt in Filmen mit historischer Grundlage schon einmal vor, Die Unsichtbaren – Wir wollen leben hat letztes Jahr etwas Ähnliches getan. Der Unterschied: In American Animals dürfen Schauspieler und Porträtierte sich auch begegnen. Wann hier wer etwas sagt, was wirklich noch Fakt ist oder nur subjektive Erinnerung, das ist oft kaum mehr zu unterscheiden. Auch weil Layton sehr deutlich macht, dass es eben diese Diskrepanzen gibt – beispielsweise wenn die vier unterschiedliche Versionen derselben Ereignisse schildern.
Große Pläne, wenig Ahnung
Diese Metaspielereien gepaart mit viel Selbstironie erinnern manchmal an I, Tonya, wo ebenfalls eine biografische Geschichte mit kriminellem Hintergrund überraschend komisch aufgearbeitet wurde. Gemeinsam ist den beiden Filmen auch, dass die Kriminellen hier so gar nicht wissen, was sie eigentlich tun. American Animals zeigt keine gewitzten Masterminds, die bis ins kleinste Detail alles geplant haben. Anders als sonstige komödiantischen Heist Movies wie Ocean’s 8 greift man sich hier oft an den Kopf, wie die Jugendlichen ihre Pläne schmieden. Das ist oft absurd, wenn nicht gar völlig bescheuert.
Das ist dann auch der zweite Punkt, der den Beitrag vom Filmfest München 2018 so unterhaltsam macht: Die gänzlich unbedarften Möchtegernräuber wissen überhaupt nicht, was sie da tun, klauben sich ihre Ideen für den Coup in der Popkultur zusammen. Dass die Geschichte ein einziges Desaster wird, werden muss, das ist für jeden im Publikum ersichtlich. Nur eben nicht bei denen, die die Bücher klauen wollen. Mit einer Mischung aus Neugierde, diebischer Freude aber auch Mitleid schaut man zu, wartet darauf, wie das Ganze ausgehen wird. Die Auflösung selbst kann das vorherige hohe Niveau nicht ganz halten. Der Übergang von schelmischem Humor zum Ernst der Lage knirscht, Layton weiß nicht so recht, mit welcher Schlusspointe seine Geschichte enden soll. Aber die kleinen Stolpereien verzeiht man dem Film gerne, dafür war er zuvor zu gut, zu einfallsreich und auch zu spannend.
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