Verstört ist sie, kann kaum darüber reden. Nur eines bringt Trish Winterman (Julie Hesmondhalgh) heraus: Sie wurde vergewaltigt. Wer es war, ob sie ihn kannte, warum es sie erwischt hat, nichts davon kann die 49-Jährige beantworten. Es ging zu schnell, sie konnte nichts sehen. Erschwert kommt für die Ermittler Ellie Miller (Olivia Colman) und Alec Hardy (David Tennant) hinzu, dass der Vorfall in der Nähe einer Party stattgefunden hat, genauer einer Party des befreundeten Paares Cath (Sarah Parish) und Jim Atwood (Mark Bazeley). Die Zahl der potenziellen Täter geht deshalb in die Dutzenden. Dabei hätten beide Polizisten privat schon mehr als genug zu tun, gerade ihre Verhältnisse zu den jeweiligen Kindern war schon einmal besser.
Inzwischen ist die Kombination Krimi und Drama einhergehend mit einem über eine ganze Staffel hinweg erzählten Fall eher die Regel als die Ausnahme, kaum eine Mörderjagd kommt heute noch ohne private Selbstzerfleischungen der Ermittler und Verdächtigen aus. Als Broadchurch 2013 an den Start ging, war das Feld jedoch noch nicht ganz so überlaufen wie heute. Die erste Staffel bleibt zudem noch immer Referenz dafür, wie dörfliches Leben, die Suche nach dem Täter und persönlicher schmerzlicher Verlust Hand in Hand gehen können: Das Rätsel um den ermordeten Danny war gleichzeitig Porträt einer langsam auseinanderbrechenden Gemeinschaft.
Und was machen wir nun?
Doch so spannend und atmosphärisch der Auftakt damals war, trotz kleinerer Schwächen. So richtig wussten die Macher wohl nicht, was sie im Anschluss mit der Serie anfangen sollten. Staffel 2 wiederholte weite Teile der Geschichte, versuchte diese mit einem zweiten unabhängigen Fall zu verbinden und verrannte sich dabei trotz erneut erlesener Besetzung ein wenig. Vor allem die Glaubwürdigkeit litt doch stark, sowohl im dramatischen wie auch im kriminologischen Bereich, das war schon etwas übertrieben und umständlich.
Die dritte und letzte Staffel ist in der Hinsicht deutlich besser geglückt. Zwar ließ es sich Drehbuchautor und Serienschöpfer Chris Chibnall nicht nehmen, Dannys schreckliches Schicksal nun schon zum dritten Mal einbauen zu wollen. Dieses Mal geschieht das jedoch deutlich harmonischer, was auch damit zusammenhängt, dass der alte Kriminalfall nun überwiegend der Charakterisierung dient: Es mögen einige Jahre vergangen sein, die Angehörigen leiden aber noch immer, die Ehe der Eltern ist im Begriff, an dieser Tragödie zu zerbrechen. Staffel zwei wird hingegen kaum beachtet, so als hätte sie nie wirklich stattgefunden.
Zurückhaltend und hochaktuell
Das mag man schaden finden. Etwas irritierend für das Publikum mag auch sein, dass Staffel 3 noch in anderer Hinsicht zurückhaltender ist als gewohnt: Hier gibt es keinen Mord, sondern „nur“ eine Vergewaltigung. Und auch wenn sich später herausstellt, dass es vor Trish noch andere Opfer gegeben haben muss, es entsteht nie das Gefühl, dass die Menschen hier einer wirklichen Gefahr ausgesetzt sind. Wichtiger ist für Chibnall, wie die Opfer mit ihren Erfahrungen umgehen, analog also zu dem, was Dannys Familie noch immer durchmacht. Dass ausgerechnet dessen Mutter Beth (Jodie Whittaker) zur seelischen Stütze von Trish wird, das passt wie die Faust aufs Auge.
Die ganz große emotionale Wucht entfaltet Broadchurch diesmal nicht, es gibt auch keine schockierenden Wendungen. Sehr viel leiser ist die Serie, dabei gleichzeitig näher an den Menschen. Deutlich bevor der Umgang mit Frauen, gerade auch sexuelle Besitzansprüche, im Zuge der #MeToo-Kampagne ins Bewusstsein rückte, stellten die Briten hier ganz ähnliche Fragen. Vor allem der Zusammenhang zwischen Pornos und den damit vermittelten Rollenbildern auf der einen Seite und männlicher Erwartungshaltung auf der anderen lässt einen hier frösteln. Die eigentliche Auflösung inklusive der Motivation fällt dabei etwas aus dem Rahmen, neigt hier dann doch wieder zur Übertreibung. Insgesamt ist die erneut schön bebilderte Reise in die britische Provinz aber ein würdiger Abschluss einer guten Serie, die sich mehr für die Menschen als für deren Ableben interessiert.
(Anzeige)