„Castlevania“, USA, 2017
Regie: Sam Deats; Drehbuch: Warren Ellis; Musik: Trevor Morris
Im Jahr 1455 sind die Menschen in der Walachei von Aberglaube geprägt, von den Predigten der mächtigen Kirche. Doch Lisa ist anders. Sie möchte die Wissenschaften studieren, Ärztin werden, den Menschen helfen, die sich lieber an Spirituelles halten, anstatt sich die Welt genauer anzusehen. Und sie weiß auch schon, wer ihr dabei helfen kann: Vlad Dracula Tepes. Der hat nur wenig für die Menschheit übrig, verachtet sie sogar. Doch die junge wissbegierige Frau hat es ihm angetan und ihr zuliebe beginnt er, sich aus seiner Isolation zu lösen und sein Wissen mit ihr zu teilen. Mit fatalen Folgen: Als der Bischof von den wissenschaftlichen Kenntnissen von Lisa erfährt, lässt er an ihr ein Exempel statuieren und beschwört damit den Zorn des mächtigen Vampirs herauf. Und nur Trevor Belmont, selbst Mitglied einer alten ausgestoßenen Familie, kann ihn jetzt noch aufhalten.
Skepsis? Oh ja, die war angebracht, als bekannt wurde, dass die altehrwürdige Vampirsaga Castlevania in Gestalt einer Animationsserie wiederbelebt werden sollte. Als wären Videospieladaptionen nicht auch so schon meistens fürchterlich genug, wollte sich hier ein amerikanisches Team des japanischen Klassikers annehmen. Und das rief schon bei der kurzlebigen Videospielreihe Lords of Shadow sehr gemischte Reaktionen hervor. Hinzu kommt, dass die Serie ursprünglich ein Film hätte sein sollen, dann aber in der Entwicklungshölle feststeckte, bis Netflix das Projekt aufgriff. Und auch der Streamingdienst steht in dem Ruf, gerne mal Sachen zu veröffentlichen, die aus gutem Grund keinen Abnehmer fanden – siehe etwa Mute, das dieses Jahr nach vielen Problemen als reine Online-Fassung erschien und gnadenlos durchfiel.
Hier fliegen die (Menschen-)Fetzen
Bei Castlevania waren die Reaktionen deutlich positiver, von Fans wie von der Fachpresse. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie atmosphärisch die vermeintliche Wegwerfware am Ende ausfiel. Und wie brutal auch: Dracula, so erfahren wir zu Beginn, genoss es früher, die Menschen zu pfählen. Zu sehen bekommen wir das zwar nicht, dafür aber eine Reihe von Monstern, die in seinem Auftrag das Land tiefrot färben. Dabei machen sie keinen Unterschied, ob das Blut nun von Erwachsenen oder Kindern stammt, Männern oder Frauen. Auch bei der Art und Weise, wie die Menschenleben ein Ende finden, zeigen sich der blutrünstige Adlige und seine Schergen wenig zimperlich. Dass die Serie eine der seltenen Netflix-Produktionen mit einer Freigabe ab 18 Jahre ist, das ist angesichts zahlreicher Verstümmelungen und Enthauptungen durchaus gerechtfertigt.
Dabei gehört die Optik zu den schwächeren Elementen von Castlevania. Bei der Gestaltung der Landschaften zeigt sich die Coproduktion der Frederator Studios und Powerhouse Animation Studios durchaus kompetent. Gerade auch durch die Farbgebung erzeugen sie jede Menge Stimmung, ein düster-trostloses Ambiente, das nichts Gutes verheißt. Bei der Detailarbeit hapert es jedoch, vieles hier sieht nach Non-Name-Samstagmorgen-Produktion aus. Schon zu Beginn schleichen sich hässliche Computerelemente ins Bild, die Stadt wirkt flach, es fehlen belebende Elemente. Vor allem aber die offensichtlich an Animes angelehnten, sehr genügsamen Animationen enttäuschen, wenn es zu Kämpfen kommt.
Wo sind all die Monster hin?
Letztere sind übrigens erstaunlich selten. Die nur vier Folgen umfassende erste Staffel dient lediglich als eine Art Einleitung, in der wir das Szenario, Helden wie den Gegenspieler kennenlernen. Wer mit Castlevania vor allem den Actionteil verbindet, wenn sich die Belmonts gegen Medusen, Mumien, Skelette oder riesige, umherfliegende Augen wehren müssen, der wird enttäuscht sein. Denn davon ist hier praktisch nichts zu sehen. Die Kreaturen der Nacht tauchen nur kurz auf, sind nicht sehr zahlreich, lassen auch die Abwechslung der Vorlage vermissen.
Dafür macht aber die Geschichte, die sich an dem Klassiker Castlevania III: Dracula’s Curse orientiert, Lust auf mehr. Die Serie ist mehr als der ewige Kampf zwischen Strahleheld und Ausgeburt der Hölle: Belmont hat diverse charakterliche Schwächen, die sich auch in diversen humorvollen Szenen wiederspiegeln. Dracula wiederum wird in dieser Interpretation geradezu menschlich. Abgerundet wird das Figurenensemble durch die rätselhaften und misstrauisch beäugten „Sprecher“, die ihr Wissen von Generation zu Generation mündlich weitergeben und eigene Sagen pflegen. Wie das weitergeht, dürfen wir im Oktober erfahren, wenn die zweite Staffel nach aktuellem Stand bei Netflix erscheint.
(Anzeige)