„Eye on Juliet“, Frankreich/Kanada/Marokko, 2017
Regie: Kim Nguyen; Drehbuch: Kim Nguyen; Musik: Timber Timbre
Darsteller: Lina El Arabi, Joe Cole
Es läuft nicht so wirklich im Leben von Gordon (Joe Cole). Seine Beziehung ist gerade gescheitert, worunter der junge Mann deutlich leidet. Und auch seine Arbeit ist nicht wirklich befriedigend. Täglich sitzt er vor einem Monitor und steuert von dort aus im Auftrag einer Sicherheitsfirma eine Drohne, die eine wertvolle Öl-Pipeline am anderen Ende der Welt überwacht. Sehr viel spannender als diese Ausgabe ist jedoch Ayusha (Lina El Arabi), die er eines Tages auf diese Weise entdeckt. Die ist eigentlich einem deutlich älteren Mann versprochen, obwohl sie in jemand anderes verliebt ist. Aber auch Gordon findet Gefallen an ihr und versucht mithilfe seiner Technik, der Unbekannten zu helfen – ohne dass jemand davon erfährt.
Eines muss man Kim Nguyen ja zugutehalten: Originell ist sein Szenario. Drohnen machen sich ja zunehmend in unser aller Leben breit, mal versteckt, mal weniger, beruflich wie privat gibt es einen Run auf die hochtechnisierten Flugspione. Filmisch fanden sie bislang überwiegend im kriegerischen Kontext Verwendung: Eye in the Sky nutzte die Geräte, um moralische Fragen zum Wert von Menschenleben aufzuwerfen, Drone – Tödliche Mission machte hieraus ein Kammerspielthriller. Der kanadische Regisseur und Drehbuchautor entschied sich für einen ganz anderen Einsatzort. Und ein ganz anderes Genre.
Wie süß, ein Stalker!
Man mag sich darüber streiten, ob das Verhalten von Gordon, der unbekannten Frau nachzustellen, nun süß oder unheimlich ist. Ein bisschen ist das wie A Young Man with High Potential, das ebenso wie Eye on Juliet auf dem Filmfest München 2018 lief: Ein junger Mann mit technologischem Hintergrund, aber offensichtlichen sozialen Defiziten entdeckt ein hübsches Fräulein, das ihm nicht aus dem Kopf geht. Der Unterschied ist nur, dass der deutsche Beitrag dies als Thriller umsetzen wollte, während Nguyen vom Publikum offensichtlich emotionales Engagement erwartet.
Das ist naturgemäß ein wenig schwierig, wenn das designierte Paar sich überhaupt nicht begegnet. Eine Romanze, die nicht von der Chemie zweier Protagonisten leben kann? Das ist ungewöhnlich, kommt aber manchmal vor. Love, Simon erzählte kürzlich, wie sich ein Junge in eine anonyme Internetbekanntschaft verliebt, in Schlaflos in Seattle führte eine Radiosendung dazu, dass eine Frau ihre geplante Hochzeit sabotiert. Insofern ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass der Kontakt über eine Drohne hinweg zum selben Ziel führen könnte. Liebesgeschichten müssen nun einmal keinen Sinn ergeben.
Die Langeweile in Person
Sie sollten einen aber auch nicht völlig kalt lassen. Während die Geschichte um Ayusha, die gegen ihren Willen mit einem älteren Mann verheiratet werden soll, durchaus noch Platz für Emotionen lässt, ist Gordon ein hoffnungsloser Fall. Auch wenn seine gelegentlichen Versuche, sich für andere einzusetzen, entgegen klarer Anweisungen, ihm ein paar Sympathiepunkte einbringen: Eine interessante Figur wird er nicht dadurch. Er sitzt nur da, bemitleidet sich selbst, langweilt sich und alle, die das zweifelhafte Vergnügen haben, seine filmische Bekanntschaft zu machen. Dazu tragen auch die Dialoge bei, die nicht unbedingt das Bedürfnis steigern, ihm zuzuhören. Oder sonst jemandem.
Am spannendsten ist Eye on Juliet, das auf den Filmfestspielen von Venedig 2017 Premiere feierte, in ganz anderen Momenten. Wenn in einer kurzen Szene die komplette Nutzlosigkeit von Gordon und seinen Kollegen auf den Punkt gebracht wird. Wenn Gordon während seiner Ausflüge einen alten Mann trifft und ihm hilft. Das hat dann zwar mit der eigentlichen Geschichte nicht mehr viel zu tun, ist aber so kurios, dass man für wenige Minuten aus dem Sekundenschlaf erwacht und etwas ungläubig auf die Leinwand starrt. Diese kurzen Augenblicke, wenn der Einsatz um Drohnen mehr ist als nur ein Gimmick, reichen aber nicht aus, um das Drama in seiner Gesamtheit einen zwingenden Grund mitzugeben, warum man sich das anschauen sollte.
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