„Good Girls“, USA, 2018
Regie: Dean Parisot, Kenneth Fink, Sarah Pia Anderson, So Yong Kim, Sharat Raju, Nzingha Stewart, Michael Weaver
Drehbuch: Jenna Bans, Jeannine Renshaw, Jenna Lamia, Nicole Paulhus, Des Moran, Marc Halsey, Bill Krebs, Mark Wilding
Musik: Michael Penn, Lyle Workman
Darsteller: Christina Hendricks, Retta, Mae Whitman, Reno Wilson, Manny Montana, Matthew Lillard, Zach Gilford, David Hornsby
Die Gründe mögen unterschiedlich sein, das Ergebnis ist aber dasselbe: Beth (Christina Hendricks), Ruby (Retta) und Annie (Mae Whitman) brauchen Geld. Und das schnell. Bei Beth ist es der Schlamassel, in den sie ihr untreuer Ehemann Dean (Matthew Lillard) hineingezogen hat. Ihre jüngere Schwester Annie steckt in einem hässlichen Sorgerechtsstreit. Ruby wiederum will ihrer schwerkranken Tochter helfen, deren Behandlung sie sich nicht leisten kann. Also schmieden die drei den Plan, den Supermarkt auszurauben, in dem Annie arbeitet. Das klappt gut, sehr viel besser, als sie es sich ausgemalt hatten: Statt der 30.000 Dollar sind sie auf einmal im Besitz von 500.000! Dummerweise gehört das Geld aber eigentlich dem Gangsterboss Rio (Manny Montana), der so gar nicht vorhat, den Ladies ihre Beute zu hinterlassen.
Auch wenn es sicherlich noch eine ganze Weile dauern wird, bis Frauen völlig gleichberechtigt sind, so hat es in der Hinsicht zuletzt doch einige erfreuliche Bewegungen gegeben. Einer der neuesten Coups: Sie dürfen in Filmen jetzt sogar Verbrecherinnen sein! Bislang war das schwache Geschlecht meist darauf beschränkt, die Rolle der Gangsterbraut einnehmen zu dürfen. Manchmal blieb im Schurkenensemble Platz für eine Quotenfrau. Das war es dann aber auch schon. In Ocean’s 8 durfte dann endlich ein Trupp höchst unterschiedlicher Ladies beweisen, dass auch sie in der Lage sind, einmal richtig abzuräumen. Und nun zeigt uns Good Girls, dass Frauen nicht zwangsweise an den Herd gehören, sondern zu Höherem geboren sein können. Supermärkte ausrauben zum Beispiel.
Ich weiß doch auch nicht, was ich tue
Der Vergleich zwischen dem Hollywoodstreifen und der Netflix-Serie hinkt aber natürlich. Wo die Meisterdiebinnen ihren räuberischen Tätigkeiten aus Berufung nachgehen, da ist das hier aus der Not geboren. Der feministische Mehrwert hält sich dadurch ein bisschen in Grenzen, trotz der Unabhängigkeitsbemühungen der drei. Dafür sind sie letztendlich auch zu inkompetent. Verständlich: Wessen Alltag sonst darin besteht, Kinder von der Schule zu holen, den Haushalts zu schmeißen oder in unbedeutenden Diners zu servieren, dem fehlt es an Erfahrung, wenn statt eines Kochlöffels nun eine Waffe in der Hand steckt.
Good Girls bezieht seinen Unterhaltungswert dann auch in erster Linie daraus, dass drei völlig unbescholtene und unbedarfte Normalbürger sich an Verbrechen versuchen und eigentlich heillos damit überfordert sind. Der Vergleich zu Breaking Bad liegt nahe, wo ein Schullehrer zum Drogenhersteller wurde. Noch näher ist aber der Inhouse-Kollege Orange is the New Black. Nicht nur, dass auch dort alle Verbrechen von Frauen begangen wurden. Wir folgen in beiden Fällen jemandem, dessen erste Schritte alles andere als fachkundig sind, der als Identifikationsfigur fungiert, während drumherum alles in einem komischen Chaos versinkt.
Nicht anspruchsvoll, aber lustig
Das ist dann nicht besonders anspruchsvoll, hält aber doch die Neugierde groß. Welche Katastrophe wird als nächstes geschehen? Wie werden die drei sich aus der Situation wieder befreien? Aber auch: Wird sich das Trio durch diese Erfahrungen verändern? Der eigentliche Krimianteil ist dabei überschaubar. Die Versuche von Beth, Ruby und Annie, es den Kolleginnen aus dem obigen Heisthit gleichzutun, sind eher putzig denn wirklich clever – auch wenn mit der Zeit das Selbstbewusstsein steigt. Dafür wird es des Öfteren ernst, geradezu dramatisch. Vergewaltigung, Einsamkeit, ein Transgenderkind – Good Girls packt schon einiges in die zehn Folgen der ersten Staffel.
Durch den grundsätzlich humorvollen Ton – das Drehbuchteam hat eine offensichtliche Vorliebe für absurde Ausuferungen –, entwickeln die düsteren Tendenzen selten die Wucht, die sie haben könnten. Außerdem neigt die Serie dazu, gerne mal auf der Stelle zu treten. Dieselben Probleme werden ewig hin und her gewälzt, ohne dass sich etwas Entscheidendes tun würde. Die Entwicklung der drei Freizeitkriminellen ist auch ein wenig überschaubar, es fehlt eine klare Richtung. Aber es macht dann doch größeren Spaß dabei zu sein, wie sie immer tiefer in die Verbrechen hineingezogen werden, zumal sämtliche Darstellerinnen und Darsteller großes komisches Talent beweisen. Und so ist es dann auch durchaus erfreulich, dass eine zweite Staffel bereits geplant ist – umso mehr, da die erste mit einem fiesen Cliffhanger aufhört.
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