„Juliet, Naked“, UK/USA, 2018
Regie: Jesse Peretz; Drehbuch: Evgenia Peretz, Jim Taylor, Tamara Jenkins; Vorlage: Nick Hornby; Musik: Nathan Larson
Darsteller: Rose Byrne, Chris O’Dowd, Ethan Hawke
Annie (Rose Byrne) ist seit vielen Jahren in einer Beziehung mit Duncan (Chris O’Dowd), der seine Freizeit am liebsten damit verbringt, das Mysterium um den obskuren Rockstar Tucker Crowe (Ethan Hawke) zu erforschen. Als Annie eine CD mit der Aufschrift „Juliet, Naked“, die sich als akustische Demoversion des 25-Jahre-alten Hitalbums des Musikers herausstellt, aus dem Briefkasten fischt, führen die Zufälle schlussendlich zu einem schicksalshaften Treffen mit dem verschollen geglaubten Rocker selbst.
Herzerwärmende Indierock-Komödie
Nach den weltweiten Erfolgsschlagern High Fidelity, About a Boy und A Long Way Down bringt der britische Schriftsteller Nick Hornby mit Juliet, Naked seinen gleichnamigen Roman aus dem Jahr 2009 auf die große Leinwand. Die Regie übernimmt Jesse Peretz, der sich vor allem durch seine direktoriale Leitung mehrerer Folgen der HBO-Serie Girls einen Namen machte.
Juliet, Naked ist eine klassische Rom-Com mit einer erfolgversprechenden Prämisse. Drei Charaktere, die jeder auf eigene Art in sich verkorkst, doch sympathisch sind, befinden sich in einer Art interkontinentaler Dreiecksbeziehung, in der sich ironischerweise Spannungen zwischen der Freundin des Superfans und seinem Idol entwickeln – und das direkt vor seinen Augen.
Ein Film wie ein Popsong
Dabei erfüllt der Film alle Wünsche, die man an das Genre stellt: Cleverness, Romantik, Unvorhersehbarkeit und Witz. Die Komik zündet fast immer und das liegt nicht nur an den originellen Charakteren und deren raffinierter Umsetzung durch den ausgezeichneten Cast, sondern vor allem am gekonnt gesetzten Timing und der geschickten Positionierung der Pointen.
Ähnlich wie in High Fidelity spielt Musik in Juliet, Naked eine tragende Rolle, denn Bestseller-Autor Nick Hornby ist bekanntlich ein großer Musikliebhaber. In seinem non-fiktiven Buch 31 Songs drückt er die außergewöhnliche Bedeutung aus, die Musik in seinem eigenen Leben trägt. Wenigen Autoren gelingt es, die Wirkung von Musik auf das Leben realer Personen so gut zum Ausdruck zu bringen, wie Hornby. Und dafür gibt es laut eigener Aussage einen triftigen Grund: „Ich schreibe Bücher, weil ich keine Popsongs schreiben kann.“
Im Juliet, Naked geht das harmlose Fan-Sein des kauzigen Duncan, großartig und selbstironisch gespielt von Chris O’Dowd (The Program – Um jeden Preis), in brennende Obsession über. Dieses Spiel mit der überspitzten Darstellung besessener Begeisterung resultiert schlussendlich in der besten Szene des Films. Als Duncan endlich auf sein langjähriges Idol Tucker Crowe trifft und vergebens versucht, seine Liebe zu Tuckers Musik deutlich zu machen – warum Tucker nichts von diesem Anbetungsgedusel hören will bzw. kann, erfährt man im Laufe des Films – sprudelt der Moment der bitteren Enttäuschung nur so vor Ehrlichkeit, Menschlichkeit und tiefer Empathie für beide Figuren über. Denn dem Film gelingt es, Popkultur von beiden Seiten zu beleuchten, der des Fans und der des Künstlers.
Wo ist die Hookline?
Wie der erlesene Soundtrack plätschert Juliet, Naked für den Großteil der Spielzeit vor sich hin. Doch nach dem sich abzeichnenden Höhepunkt, der sich im peinlichen Treffen zwischen Duncan und Tucker manifestiert, flaut die Handlung rasch ab. Leider erreicht der Film diesen Zenith recht früh, so dass sich das letzte Drittel, trotz rührender Momente wie Ethan Hawkes entzückender Performance des Kinks-Klassikers Waterloo Sunset, stofflich unentschlossen wie fahrig in die Länge zieht. Deshalb muss der Film trotz seiner Warmherzigkeit, Lebensnähe und seines bittersüßen Humors Einbuße hinnehmen. Er hat nach dem Refrain sozusagen den Einsatz verpasst und somit die Chance, eine gewisse Tiefe zu entwickeln und sich als Ohrwurm in den Köpfen der Zuschauer festzusetzen.
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