„Lucky Luke“, Belgien/Frankreich, 1971
Regie: René Goscinny; Drehbuch: Morris, Pierre Tchernia, René Goscinny; Vorlage: Morris; Musik: Claude Bolling
Der Anfang war vielversprechend: Als die Leute mitten in der Wüste das kleine Städtchen Daisy Town gründeten, dann um darin ihre Träume zu verwirklichen und frei zu sein. Allerdings hat diese Freiheit auch ihre Schattenseite, die fehlenden Regeln führen dazu, dass der beschauliche Ort unter einer hohen Kriminalitätsrate leidet. Logisch, wo es keinen Gesetzeshüter gibt, da gibt es auch keinen Grund, sich an Gesetze zu halten. Zum Glück kommt aber eines Tages der einsame Cowboy Lucky Luke vorbei, der flugs zum Sheriff ernannt wird. Aber auch andere haben Daisy Town für sich entdeckt: die vier gesetzlosen Dalton-Brüder, die hier die Gelegenheit sehen, mal so richtig abzuräumen.
Den Namen René Goscinny verbinden wir natürlich zunächst einmal mit dem unbeugsamen Gallier Asterix, den er 1959 zusammen mit dem Zeichner Albert Uderzo ins Leben rief. Der französische Autor war aber auch an diversen anderen Institutionen seines Landes beteiligt. Neben der Kinderbuchserie Der kleine Nick waren das vor allem die Abenteuer des schweigsamen, aber äußerst reaktionsschnellen Cowboys Lucky Luke – der Mann, der bekanntermaßen schneller zieht als sein Schatten. Wobei die Comics genau genommen nicht auf ihn zurückgingen. Der Belgier Maurice de Bevere, bekannt als Morris, war es, der ab 1946 die Geschichten des Revolverhelden erzählte. Goscinny stieß erst 1955 dazu und übernahm ab dem Zeitpunkt bis zu seinem Tod 1977 die Rolle des Texters.
Nach einer (fast) wahren Geschichte
Zwischendurch führte Goscinny aber auch Regie bei Daisy Town, dem ersten von bislang vier Zeichentrick-Spielfilmen. Anders als die meisten Asterix-Filme, die seit den 1960ern produziert wurden, lag hier jedoch kein konkreter Comicband zugrunde. Trotzdem kam dem Publikum vieles natürlich bekannt vor. Immer wieder greift der Film bekannte Elemente der Reihe auf, darunter etwa die skrupellosen Dalton-Brüder. Diese hatten, wie vieles Bei Lucky Luke, eine konkrete Vorlage: Die Dalton Gang gehören zu den berüchtigtsten Verbrechern des Wilden Westens.
Das war dann auch immer eines der hervorstechendsten Merkmale der Comics wie auch der Zeichentrickreihe: Mehr noch als Der wildeste Westen des italienischen Kollegen Bruno Bozzetto (Signor Rossi) spielte Lucky Luke mit bekannten Merkmalen und Klischees des Westerns. Der Besuch im Saloon darf ebenso wenig fehlen wie wilde Schießereien oder kriegerische Indianer. Nur dass das hier alles sehr viel weniger ernst gemeint ist als im klassischen Western. Sicher, der Titelheld ist die Verkörperung des coolen Alleskönners, dabei aber so überzogen, dass es eben schon wieder komisch ist.
Kuriose Figuren in nicht immer komischen Szenen
So ganz überzeugt der erste Film in punkto Humor dennoch nicht. Nach einem sehr stimmungsvollen Einstieg, der den Aufbau von Daisy Town zeigt – wortwörtlich –, nimmt der Unterhaltungsgrad wieder etwas ab. Man verließ sich schon sehr darauf, dass die kuriosen Figuren für sich genommen schon lustig genug sind und vernachlässigte dabei die Handlung. Der Streifen hat auch keinen wirklichen roten Faden, besteht vielmehr aus drei Teilen, die nur marginal zusammenhängen. Episch ist Daisy Town daher nicht und eben auch nicht immer so witzig, wie er sein könnte, wie es die Comics oft waren.
Charmant ist Daisy Town aber ohne Zweifel. Gerade nostalgisch veranlagte Zuschauer, die selbst mit den Comics aufgewachsen sind oder Western nicht nur aus Geschichtsbüchern kennen, dürfen hier von anderen Zeiten träumen. Dürfen sie auch sehen, der Zeichentrickfilm legt mehr Wert auf die markanten Designs der Vorlage als auf technische Spielereien. Die Hintergründe sind recht schlicht, was in dem Umfeld aber nicht besonders negativ auffällt. Wie viele Details braucht so eine Wüste schon? Manchmal reicht es da, einen Mann, sein Pferd und vier schwerbewaffnete Gangster aufzustellen, um das Publikum zu beschäftigen.
(Anzeige)