„Il Contagio“, Italien, 2017
Regie: Matteo Botrugno, Daniele Coluccini; Drehbuch: Matteo Botrugno, Daniele Coluccini, Nuccio Siano
Vorlage: Walter Siti; Musik: Paolo Vivaldi, Andrea Boccadoro
Darsteller: Maurizio Tesei, Giulia Bevilacqua, Vinicio Marchioni, Anna Foglietta, Vincenzo Salemme
Wer hier wohnt, in dem Wohnkomplex am Rande von Rom, der hat nicht wirklich viele Perspektiven. Oder auch Glück. Die Ehe von Marcello (Vinicio Marchioni) und and Chiara (Anna Foglietta) beispielsweise wird von psychischen Problemen überschattet, von dem unerfüllten Kinderwunsch, von dem fehlenden Geld auch. Ein bisschen Entlastung findet Marcello bei dem Schriftsteller Walter (Vincenzo Salemme), der ihm immer wieder finanziell unter die Arme greift. Mauro (Maurizio Tesei), der mit Simona (Giulia Bevilacqua) verheiratet ist, hat da schon größere Ambitionen. Er will raus aus dem kleinen Leben, mehr erreichen, mehr haben – und ist dafür bereit, bei den ganz Großen mitzuspielen.
Für so richtig viel gute Laune hat Italien zuletzt ja nicht gesorgt, filmisch zumindest. Mit Zuhause ist es am Schönsten, kommt demnächst zwar mal wieder ein Werk in die deutschen Kinos, das tatsächlich viele komische Szenen enthält. Aber eben auch hässliche, wenn tief in die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen geschaut wird. Darüber hinaus sieht es dann richtig düster aus: Wenn Bella Italia nicht gerade über die Mafia spricht, dann widmet es sich Randgestalten, die nur irgendwie so mal ein bisschen über die Runden kommen – siehe etwa in Tu nichts Böses oder Meine Tochter – Figlia Mia.
Viele Wege führen in den Abgrund
Tainted Souls geht in eine ganz ähnliche Richtung. Wie der Titel bereits verrät, folgen wir hier einer Gruppe von Menschen, die sich nicht allzu viel von ihrer kindlichen Unschuld bewahrt haben. Ein bisschen außereheliche Prostitution am eigenen Geschlecht hier, dort ein wenig Drogenhandel. Dazwischen? Träume, heile wie beschädigte. Die Hoffnung auf mehr, aus allem einmal herauszukommen. Sehnsüchte, die sich nicht erfüllen.
Die Adaption von Walter Sitis Roman besteht dabei aus zwei Teilen. Während der erste das Leben der Menschen im Nichts schildert, gibt es später einen Ausflug in höhere Sphären. Sehr viel positiver wird der Film, der 2017 auf den Filmfestspielen von Venedig Premiere feierte, dabei aber nicht. Im Gegenteil. Über den Dreck werden zwar Hochglanzflächen montiert. Doch die unterkühlten Aufnahmen von schicken Partys können nur vorübergehend darüber hinwegtäuschen, welcher Morast sich darunter befindet.
Wenig Aufregung im Morast
Deprimierend bis erschütternd darf man Tainted Souls sicherlich nennen. Spannend ist der Beitrag vom Filmfest München 2018 jedoch eher weniger. Zwar stehen die Tore zur Kriminalität sperrangelweit offen, werden auch gern immer mal wieder durchschritten. Die Folgen eines solchen Lebens jenseits der Legalität sind jedoch sekundär. Nur selten entsteht hieraus eine wirkliche Brisanz, eine wie auch immer geartete Gefahr für Leib und Leben. Dafür ist das dann doch alles zu alltäglich. Der Ensemblefilm ist auf dieser Weise einem Gesellschaftsporträt näher, einem Drama. Ein Thriller ist er, der Thematik zum Trotz, hingegen kaum. Zumindest keiner, der dem Genretitel gerecht würde. Dass des Öfteren die Geschichte ungelenk einem Erzähler in den Mund gelegt wird, trägt auch nicht gerade zum Aufregungsfaktor bei.
Ein bisschen fehlt ihm zudem die Richtung, während wir in den Kosmos aus Hoffnungslosigkeit und Schmerz eintauchen. Sympathieträger gibt es in Tainted Souls ohnehin nicht. Mitleid, das ist schon das höchste der Gefühle, die man den Protagonisten hier entgegenzubringen gewillt ist. Verlierer, die so verloren sind, dass man ihnen nicht einmal mehr die Daumen drückt. Es ist daher schon einiges, was einem die Regisseure und Co-Autoren Matteo Botrugno und Daniele Coluccini hier so zumuten, ohne dafür einen Ausgleich zu zahlen. Atmosphärisch ist das hingegen gut umgesetzt, deprimiert mit düsteren Bildern so sehr, dass sich danach das dringende Bedürfnis nach ein bisschen Lebensmut, Farbe und Wärme einstellt. Also alles, was einem der Film hier vorenthält.
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