„The Cured“, Irland, 2017
Regie: David Freyne; Drehbuch: David Freyne; Musik: Rory Friers, Niall Kennedy
Darsteller: Ellen Page, Sam Keeley, Tom Vaughan-Lawlor, Peter Campion
Viele Jahre wütete der Virus durch das ganze Land, verwandelte Menschen in blutrünstige Bestien, die übereinander herfallen. Doch die Gefahr ist nun gebannt, zu einem großen Teil zumindest. Rund 75 Prozent aller Infizierten konnten geheilt werden und zu einem normalen Leben übergehen. So dachten sie. Als Senan (Sam Keeley) zu seiner verwitweten Schwägerin Abbie (Ellen Page) und ihrem Sohn zieht, ist von Normalität jedoch wenig zu spüren. Zu groß sind die Wunden, welche die Zombies in der Gesellschaft hinterlassen haben. Zu schrecklich sind zudem die Erinnerungen, die Senan an seine Zeit als Zombie und die begangenen Gräueltaten noch hat. Und noch ein weiteres Problem beschäftigt die Menschen: Was soll mit den verbliebenen 25 Prozent geschehen, bei denen das Mittel nicht wirkt?
Es soll ja mal eine Zeit gegeben haben, da waren Zombiefilme reine Horrorvertreter gewesen. Zu einem Großteil sind sie das natürlich noch immer, gerade im Budget-Segment ist der einzige Sinn und Zweck der gehirnlosen Menschenfresser, andere zu Tode zu erschrecken. Oder totzubeißen. Inzwischen gibt es diese aber in allen Formen und Farben, von Komödien über Romanzen bis hin zu Dramen haben es sich die verwesenden Dauerbrenner gemütlich gemacht. Zu Letzteren gehört auch The Cured, das dem Genrefan zwar einiges an Anschauungsmaterial mitbringt, sich dabei jedoch deutlich mehr Gedanken macht, als wir es vom Wald-und-Wiesen-Zombie gewohnt sind.
Eine Zombiefilm ohne Zombies?
Ein Unterschied wird gleich zu Beginn deutlich gemacht: Wo Zombiefilme meistens mit dem Beginn der Apokalypse starten, da spielt The Cured danach, zu einer Zeit, wo die Gefahr praktisch gebannt ist. Das wird sich für splatterhungrige Horrorfans erst einmal widersprüchlich anhören. Oder langweilig. Worin soll denn der Spaß eines Zombiefilms liegen, wenn nicht ordentlich die Fetzen fliegen? Doch Regisseur und Drehbuchautor David Freyne hat tatsächlich spannende Szenen mitgebracht. Die betreffen jedoch weniger die Flashbackszenen, in denen Senan mit seinen im Blutrausch begangenen Missetaten konfrontiert ist. Interessanter ist die Frage, wie man mit solchen wiedergewonnenen Menschen umgeht.
Das erinnert teilweise an kanadisch-spanischen Geheimtipp The Returned – Weder Zombies noch Menschen, in der es ebenfalls ein Heilmittel gibt, die Infizierten sich jedoch großen Vorurteilen ausgesetzt sehen. Verständlich. Denn auch wenn die Zombies nicht im Besitz ihrer geistigen Kräfte morden und fressen, wer auf diese Weise jemanden verloren hat, wird sich mit dem Verzeihen dennoch schwerer tun. Das schließt Überlegungen zu Verantwortung mit ein: Kann jemand zur Rechenschaft gezogen werden, der nicht er selbst war? Die Antwort ist klar, gleichzeitig wieder nicht, ethische Gedankenkonstrukte scheitern schnell, wenn man selbst betroffen ist. Zudem rückt der Film damit in die Nähe moralisch diffiziler Bereiche aus einem zombiefreien Leben. Denn auch „normale“ Menschen begehen scheußliche Taten, weil sie gegen ihre inneren Triebe nicht ankommen.
Töten oder nicht töten, das ist die Frage
Es ist aber nicht nur die schwierige, geradezu unmenschliche Aufarbeitung vergangenen Leids, auch des selbst zugefügten, die den Beitrag von den Fantasy Filmfest Nights 2018 zu einem ungewöhnlichen Genrevertreter macht. Das zweite große Fass, was der irische Streifen hier aufmacht, ist der Umgang mit den bislang Unheilbaren. Auf menschenwürdige Weise sollen sie getötet werden, als eine Art Sterbehilfe. Während in dem Großteil aller Zombiefilme kein Gedanke daran verschwendet wird, den Untoten das verblasste Lebenslicht auszublasen – sind ja keine Menschen mehr –, ist das hier durch die Heilung anderer sehr viel komplizierter. Denn wenn hinter der zähnefletschenden Fassade irgendwo noch der Mensch versteckt ist, wir aber nicht an ihn herankommen, dürfen wir ihn dann dennoch töten?
Dieser philosophische Zugang zu dem Thema ist interessant und fordernd zugleich, wird hier auch mit persönlichen Beispielen gefüttert. Eine wirkliche Antwort hat Freyne jedoch nicht. Das ist sein gutes Recht, ein bisschen Ambivalenz hat noch nie geschadet. Bedauerlich aber ist, dass er sich am Ende aber selbst vor der Fragestellung noch drückt. The Cured verzichtet auf die anfänglichen Ambitionen, mutiert dann doch zu einem recht gewöhnlichen Genrevertreter, der vieles fallenlässt oder so stark verengt, dass es letztendlich wieder egal ist. Dennoch, in der Flut an Zombie-Neuerscheinungen ist diese hier eine der lohnenswertesten, da sie den Horror nutzt, um auch über das alltägliche Leben nachzudenken, mehr sein will als bloßes Mittel, die Zeit totzuschlagen.
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