Es gab eine Zeit, das waren die Kindheitsfreunde David St. Hubbins (Michael McKean) und Nigel Tufnel (Christopher Guest) richtig erfolgreich. In den 1960ern war das, auf dem Höhepunkt des Flower Pop. Seither sind viele Jahre vergangen, inzwischen treten sie und Derek Smalls (Harry Shearer) als Hard-Rock-Combo Spinal Tap auf. Das ging eine Weile gut, doch so richtig groß ist das Interesse der Fans nicht mehr an ihnen. Die Hallen werden immer kleiner, die Zuschauer weniger. Und dann haben sie auch noch mächtig Ärger, weil die Händler das neue Album wegen des sexistischen Covers nicht ins Sortiment aufnehmen wollen. Aber aufgeben gilt nicht: Gemeinsam mit Manager Ian Faith (Tony Hendra) touren sie weiterhin durchs Land, versuchen es zumindest, während sie von dem Dokumentarfilmer Marty Di Bergi (Rob Reiner) begleitet werden.
Musikdokus sind ja immer so eine Sache. Oft neigen sie dazu, sich den Porträtierten so anzubiedern, dass der Informationsgehalt überschaubar bleibt, dass sie letztendlich nicht wirklich etwas sagen und lieber ein bisschen Futter für Fans sind. Es ist daher gleich doppelt bemerkenswert, wie sehr hier This Is Spinal Tap aus dem Rahmen fällt. Zahlreiche Musiker, ob nun zeitgenössische aus den 80ern (Dokken) oder auch spätere wie die Grungerocker von Nirvana, drückten immer wieder ihre Bewunderung für den Film aus. Von den Kritikern wurde er ohnehin geliebt. Und das obwohl – oder gerade weil – Spinal Tap eine reine Erfindung waren.
Eine Band mit (falscher) Vorgeschichte
Schon Ende der 1970er hatten die drei Multitalente Michael McKean, Christopher Guest und Harry Shearer (Schauspiel, Comedy, Musik) mit Rob Reiner an Sketchen und Ideen über die fiktiven Rocker gearbeitet. Aus diesem kurzen TV-Auftritt wurde einige Jahre später dann ein ausgewachsener Film. Gewissermaßen. Genauer imitiert This Is Spinal Tap Dokumentarfilme auf eine humorvolle Weise, gehört nicht nur zu den bekanntesten, sondern auch besten Mockumentaries der Filmgeschichte.
Reiner, der später mit Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers oder auch Harry & Sally zu einem der prominentesten Regisseure der 1980er wurde, verzichtet hier nahezu völlig auf den Einsatz eines Drehbuches. Nur grobe Vorgaben wurden geteilt, um Themen festzulegen und Widersprüche zu vermeiden. Ansonsten hatte jeder freie Hand. Und freien Mund. Das taten andere Filme natürlich auch, die Mumblecore-Bewegung in den 00er-Jahren wollte auf diese Weise die Authentizität erhöhen. This Is Spinal Tap gelang das so gut, dass mancher Musiker (oder auch Nicht-Musiker) zunächst gar nicht erkannt haben soll, dass das hier alles gespielt ist. Die Natürlichkeit, mit der die Schauspieler hier agieren, ist dann auch beeindruckend, so sehr verschmelzen sie mit ihren Rollen.
Ein Witz, der sich verkleidet
This Is Spinal Tap gelingt dabei der Spagat zwischen Alltag und Absurdität, macht es gar nicht so offensichtlich, dass vieles hier eine Parodie sein soll. Wer mit Letzterer vor allem wenig subtile Haudraufkomiker wie Mel Brooks oder Bully Herbig verbindet, der muss sich hier umstellen. Gags im eigentlichen Sinn gibt es hier kaum, weshalb einige Zuschauer auch erst gar nicht erkannten, dass das überhaupt eine Komödie ist. Teilweise ist es sogar recht tragisch, wie eine Band hier abstürzt, ohne es überhaupt so richtig zu realisieren. Und doch taucht der Film immer wieder auf Bestenlisten auf, gilt als einer der großen Klassiker – nicht nur innerhalb des Musikgenres.
Eine Vorliebe für Musik ist dabei natürlich von Vorteil, ebenso Kenntnisse der 80er. Wenn die langhaarigen Rocker in Spandexhosen über die Bühne turnen, von bizarren Bühnenbildern träumen und ihre Cover mit peinlich-unsinnigen Szenen vollkleistern, dann darf das etwas ältere Publikum ein wenig nostalgisch werden. Gleiches gilt für die Besetzung: In winzig kleinen Rollen tummeln sich Größen wie Billy Crystal, Patrick Macnee, Ed Begley Jr. oder Anjelica Huston. Auch Fran Dresher hat einen längeren Auftritt als toughe Bobbi Flekman, eine Rolle, die sie mehr als ein Jahrzehnt später in ihrer eigenen Sitcom Die Nanny noch einmal aufgreifen sollte. Und warum auch nicht? Schließlich hat This Is Spinal Tap gezeigt, dass Grenzen nur theoretische Konstrukte sind, Widersprüche wie Fakt und Fiktion, Komik und Tragik, Leidenschaft und Zynismus am Ende nicht so unterschiedlich sind, wie man gerne glauben möchte.
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