Zama
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„Zama“, Argentinien/Brasilien/Spanien/Frankreich/Niederlande/Mexiko/Portugal/USA , 2017
Regie: Lucrecia Martel; Drehbuch: Lucrecia Martel; Vorlage: Antonio di Benedetto
Darsteller: Daniel Giménez Cacho

Zama
„Zama“ läuft ab 12. Juli 2018 im Kino

Schön ist der Ort schon, an dem Diego de Zama (Daniel Giménez Cacho) stationiert ist. Ein kleiner schöner idyllischer Ort an der Ostküste Südamerikas. Aber eben auch ziemlich langweilig. Viel lieber würde der Offizier der Spanischen Krone ja in die Großstadt, nach Buenos Aires. Das sollte ja eigentlich nicht so schwierig sein, der Brief vom König mit der ersehnten Versetzung ist bestimmt schon unterwegs. Es dauert ja auch, bis die Post aus Europa ankommt. Also zeigt sich de Zama geduldig, wartet, wartet Tage, wartet Monate, wartet Jahre. Doch von dem Brief fehlt jede Spur, während um ihn herum alle anderen ihre Versetzung bekommen.

Man kann nicht unbedingt behaupten, dass Lucrecia Martel jemand ist, der es sonderlich eilig hätte. Fast zehn Jahre sind seit ihrem letzten Werk Die Frau ohne Kopf vergangen, ohne größeres Lebenszeichen. Und auch in ihrem neuesten Film lässt es die argentinische Regisseurin und Drehbuchautorin langsam angehen. Und langsam zu Ende gehen. Genauer ist Zama ein Film, der eigentlich nur aus Langsamkeit besteht, aus dem Warten darauf, dass endlich einmal etwas passiert – sowohl für die Hauptfigur wie auch für das Publikum.

Dasselbe wie jedes Jahr
Das ist in dem Drama, das letztes Jahr bei den Filmfestspielen von Venedig seine Premiere feierte, aber nicht Zeichen eines etwaigen Versäumnisses. Zama wartet hieß eine der Übersetzungen von Antonio Di Benedettos Roman, der dem Film zugrundeliegt. Und auch wenn der neue Titel auf das Verb verzichtet, am Inhalt hat sich wenig geändert: Zama handelt von einem Mann, der nicht handelt. Der viele Jahre lang darauf wartet, dass sich in seinem Leben etwas zum Besseren verändert. Während sich um ihn herum alles verändert, bleibt er gleich, stoisch folgt er seinem Traum, der sich irgendwie nie erfüllen mag.

Das hört sich langweilig an, wird es für viele vermutlich auch sein. Knapp zwei Stunden dauert der Beitrag vom Filmfest München, fühlt sich zuweilen aber noch nach mehr an – nicht zuletzt weil sich das Geschehen von Zama über viele Jahre hinwegzieht. Und doch, der Film ist weit davon entfernt, nichtssagend zu sein. Er ist auch durchaus spannend. Man muss nur ein bisschen genauer hinschauen, genauer hinhören, die Bilder aus der fremden Welt auf sich einwirken lassen. Martel hat jede Menge in ihr Werk gepackt, versteckt das jedoch in Details, in Nebensätzen und Nebenschauplätzen, die man leicht übersehen kann.

Die Suche nach den Details
Zama selbst ist jemand, der leicht übersehen wird. Das gilt nicht nur für seine Versetzung, die nie stattfindet. Sein ganzes Leben ist dadurch bestimmt, dass ihn irgendwie nie jemand beachtet. Eine der ersten Szenen zeigt den Offizier, wie er aufs Meer hinausschaut, sich in Pose wirft, besonders wichtig wirken will. Nur ist keiner da, der ihn sieht, wie er irgendwann feststellt. Und selbst wenn jemand anwesend ist, seine Präsenz scheint für niemanden wichtig zu sein. Er selbst ist es auch nicht. Da laufen Tiere durch das Bild, Menschen tauchen auf, ohne dass einer von ihm Notiz nehmen würde. Das Leben geht weiter. Nur Zama steht noch da.

Ohnehin: Ein großer Reiz von Zama besteht in der audiovisuellen Umsetzung. Betörend sind die Aufnahmen aus dem südamerikanischen Dschungel, die uns der immens talentierte Kameramann Rui Poças (Der Ornithologe, Gute Manieren) da beschert hat. Aber auch unwirklich: Die verspielte Musik passt so gar nicht zu der Ernsthaftigkeit der Figuren, Geräusche sind seltsam losgelöst von dem, was wir sehen. Und je länger der Film andauert, je länger wir warten, umso surrealer wird er auch. Grenzen verschwimmen, zwischen Orten und Zeiten, es wird zunehmend schwieriger, die Realität und Zamas Wahrnehmung voneinander zu trennen. Die Geschichte um einen Mann im ewigen Wartezustand wird zu einem Fiebertraum. So lächerlich der Protagonist anfangs auch dargestellt wird, inklusive diverser Seitenhiebe auf den Kolonialismus in Südamerika: Er ist auch eine tragische Gestalt. Einer, für den es einfach keinen Platz gibt, nicht in dem kleinen Küstenort, nicht in der großen Welt da draußen.



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Und wenn er nicht gestorben ist, so wartet er noch heute: „Zama“ erzählt die Geschichte eines Offiziers im Dienst der spanischen Kröne, der jahrelang vergeblich auf eine Versetzung wartet. Das erfordert viel Geduld, passieren tut hier nicht viel. Wer die aufbringt und etwas genauer hinschaut und hinhört, wird aber mit betörenden Aufnahmen und vielen Details belohnt, die von komisch bis surreal reichen.
8
von 10