Sie wollten über die große weite Welt berichten, die schrecklichen Unglücke, die Kriege. Doch es kam anders. Während Anka (Magdalena Poplawska) zu Hause blieb, um sich um die gemeinsamen Kinder zu kümmern, ist ihr Mann Witek (Michal Zurawski) ständig unterwegs, zu allen Ecken und Enden der Erde. Für Anka bedeutet das immer quälendes Warten, auf ihn, auf seine Anrufe. Geht es ihm gut? Wann kommt er zurück? Doch je länger sie wartet, je häufiger er unterwegs ist, umso mehr setzt ihr die Situation zu – bis sie schließlich zunehmend die Kontrolle über sich verliert.
Vorfreude ist die schönste Freude. Heißt es. Dass Warten ein absoluter Albtraum sein kann, die Erfahrung dürfte aber jeder schon einmal gemacht haben – vom Warten auf Prüfungsergebnisse über die Torturen beim Arztbesuch bis zu Flügen und Bahnen, die mit jeder Minute mehr Verspätung aufbauen. Am schlimmsten ist es aber, auf einen geliebten Menschen zu warten. Darauf ihn wiederzusehen oder zumindest von ihm zu hören, umso mehr, wenn wie bei 53 Wars immer die Angst mitschwingt, dass dies überhaupt nicht mehr geschehen wird. Dass jeder Abschied der letzte war.
Von Ängsten zerfressen
Es ist schon ein ungewöhnliches Kriegsdrama, welches Ewa Bukowska hier gedreht hat. Eigentlich als Schauspielerin bekannt, hat die Polin in den letzten Jahren auch weitergehende Ambitionen entwickelt, Drehbücher geschrieben, einen Kurzfilm gedreht. Mit 53 Wars legt sie nun ihr Spielfilmdebüt als Regisseurin ab und nahm sich dafür eines Romans von Grażyna Jagielska ab. Ihre Landsfrau beschreibt darin, wie die Protagonistin an der ständigen Ungewissheit verzweifelt und schlussendlich daran erkrankt.
Das hat streckenweise die Anmutung eines Thrillers oder gar Horrorfilms, gerade auch wenn Anka nicht mehr zwischen der Realität und ihren sich manifestierenden Ängsten unterscheiden kann. Das Motiv eines Protagonisten, dessen Psyche ihm Streiche spielt – oder vielleicht auch nicht –, das ist bei Genrefilmen überaus beliebt. Steven Soderbergh ließ es dieses Jahr bei Unsane – Ausgeliefert beispielsweise lange offen, ob die Patientin einer psychiatrischen Klinik tatsächlich einen Stalker hat oder ob dies nur Ausdruck ihres Verfolgungswahns ist. In 53 Wars wird dies auch audiovisuell gefördert: durch die unheimliche Musik von Natalia Fiedorczuk-Cieślak, die ständigen Close-ups von Kameramann Tomasz Naumiuk, der weder Anka noch dem Publikum Distanz gewährt.
Eine unheimliche Tragik
Und doch ist die Buchadaption eben kein Thriller, kein Horror. Stattdessen ist 53 Wars, das 2018 auf dem Karlovy Vary International Film Festival Premiere feierte, ein Drama. Erzählt die tragische Geschichte einer Frau, die zurückgelassen wurde, die im Stich gelassen wurde. Über Witek erfahren wir relativ wenig. Dass die beiden schwer verliebt sind, das wird zumindest anfangs gezeigt. Danach wandelt er sich in einen Geist, der ständig ein und ausgeht, dabei aber nie wirklich da zu sein scheint. „Er sieht mich nicht“, sagt sein kleiner Sohn, als Witek doch mal wieder zu Hause vorbeischaut, in Gedanken und Gesprächen aber nach wie vor woanders ist.
Was als elliptisches Drama beginnt, der Zusammenschnitt von Erinnerungsfetzen und Alltagsresten, wird mit der Zeit deutlich düsterer. Und seltsamer. Passend zu den Psychosen von Anka zerfällt auch der Film, bewegt sich weg von dem intimen Albtraum hin zu etwas Größerem. Leider ist das jedoch der Part, der am wenigsten überzeugt. War es zuvor gerade der Kampf gegen die Leere und das Alleinsein, der die Geschichte so tragisch machte, verliert 53 Wars auf den Schlussmetern seine Spur, verliert auch seine Protagonistin. Aber auch wenn das bizarre Ende nicht wirklich passt und etwas zu dick aufträgt, es ist doch ein interessantes Debüt, das uns Bukowska da beschert hat und das sicher noch bei dem einen oder anderen Filmfest seine Auswertung finden wird.
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