Dass auch Tiere mächtig Stress haben können, das dürfte so ziemlich jedes Herrchen und Frauchen irgendwann einmal festgestellt haben. Angstzustände bei Gewittern, morgendliche Trennungsängste, wenn es zur Arbeit geht, unangenehme Begegnungen draußen in der Stadt, ein leerer Futternapf, in der Küche herumliegende Gurken – die Liste ist endlos. Aber hat schon einmal jemand darüber nachgedacht, wie schlimm es ist, als Mutter Tausender Larven keinen Mann zu finden? Cheryl geht es so. Wobei ihre Neigung, ihre Partner nach dem Geschlechtsverkehr noch ein zweites Mal zu vernaschen – dieses Mal auf eine blutige Weise –, daran nicht unschuldig sein dürfte.
Die Gottesanbeterin ist nur eines von mehreren Tieren, die in Animal Behaviour von ihren Problemen sprechen dürfen, von dunklen Geheimnissen und Zwangsstörungen. Letztere kennt Dr. L. Clement nur zu gut aus eigener Erfahrung: Der Labrador Retriever war einst von den Hintern anderer Vierbeiner besessen, bis er sich in Griff bekam. Nun darf er anderen Tieren helfen, ihre eigenen Probleme zu meistern. Und von denen gibt es jede Menge. Schwein Todd ist süchtig nach Süßkram, Vögelchen Jeffrey hat einige Leichen im Keller. Und auch Neuzugang Victor, ein stattlicher Gorilla, kann ein bisschen Hilfe gebrauchen, um seine Aggressionen unter Kontrolle zu bringen.
Tiere sind auch nur Menschen
Mit viel Humor lässt uns das Regie-/Drehbuchduo Alison Snowden und David Fine daran teilhaben, wie sich die Tiere ihrem inneren Schweinehund stellen. Die Situation als solche ist natürlich absurd, erinnert ein wenig an den Mockumentary-Stop-Motion-Klassiker Creature Comforts, in der Tiere auf humorvoll-bizarre Weise menschliche Züge annahmen. Allein schon die Vorstellung, dass Katze und Hund, Vogel und Blutegel im Kreis sitzen und ihr Innerstes nach außen kehren, ist komisch genug. Anspruchsvoll ist das weniger, begnügt sich oft damit, mit Klischees zu spielen. Aber es ist doch unterhaltsam und kurzweilig, was die zwei Kanadier in ihren 14 Minuten dauernden Kurzfilm gepackt haben.
Rein visuell ist Animal Behaviour weniger auffällig. Der Kurzfilm, der unter anderem auf dem 2018er Animationsfestival in Annecy lief, verwendet eine recht schlichte 2D-Optik, die am Computer gefertigt wurde. Es gibt nur wenige Farben, die Designs der Tiere stechen kaum hervor. Aber sie ist doch zweckmäßig, gefällt zudem durch kleinere Details und Einfälle. Wer die Gelegenheit hat, sich diese witzige Therapiestunde einmal anzuschauen, sollte sie sich daher nicht entgehen lassen. Und sei es nur, um das eigene Haustier im Anschluss mit ganz anderen Augen zu sehen.
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