Sie kennen sich schon lange. Seit ihrer Kindheit sind Norio (Shigeki Yanagisawa), Yasuyuki (Ryuta Furuya) und Yoshi (Nana Nagao) miteinander befreundet. Gemeinsam waren sie auch Teil der Seed Association, in der politische, religiöse und ökologische Überzeugungen zusammenlaufen. Die Organisation gibt es noch immer, auch wenn der Einfluss spürbar zurückgegangen ist, seitdem sich der Anführer Mr. M (Satoru Jitsunashi) eines Tages aus dem Staub machte. Während Norio und Yasuyuki um das politische Überleben von Seed kämpfen, ist Yoshi ganz mit ihrer Rolle als alleinerziehender Mutter beschäftigt. Aber auch bei den anderen beiden hat sich mit der Zeit Ernüchterung breit gemacht.
Sieben Jahre ist Fukushima inzwischen her. Aber zumindest in filmischer Form sind die Auswirkungen der Katastrophe noch immer zu spüren, sei es in Form von Dokumentarfilmen (La terre abandonnée, Phone of the Wind: Whispers to Lost Families) oder als Background von Sion Sonos Dramen The Whispering Star und Himizu. Auch in Breath of Rokkasho gibt es Verweise auf das Unglück im Jahr 2011, als der Inselstaat erst von einem Erdbeben, anschließend von einer Riesenwelle und zum Schluss von einem kritischen Reaktorvorfall in Mitleidenschaft gezogen wurde. Denn Seed geht es um einen ökologischen Wandel – unter anderem.
Gemeinsam in die Orientierungslosigkeit
Ganz klar wird in dem neuen Film von Regisseur und Co-Autor Bunyo Kimura erst einmal nicht, was genau die Männer und Frauen von Seed eigentlich wollen. Ein bisschen diffus ist es, was hier vor sich geht, diese Mischung aus Religiösem und Politischen. Wenn die Mitglieder beisammen sind, auf sich einreden, Abweichler auf Linie bringen wollen, dann hat das schon sehr viel von einer Sekte. Überzeugungsarbeit findet hier eher durch Gehirnwäsche statt, weniger durch Argumente.
Anders als beispielsweise bei The Endless, wo ebenfalls ehemalige Mitglieder einer Sekte über ihre Vergangenheit nachdenken und nach eigenen Positionen suchen, bleibt der Austausch jedoch vage. Es ist nicht einmal sicher, ob Breath of Rokkasho überhaupt etwas zu dem Thema sagen will, etwas zu der Anti-Atom-Bewegung. Vielmehr zeichnet der Film das Bild einer Gesellschaft, in der irgendwie niemand mehr weiß, was noch zu tun ist. Überalterung und Bevölkerungsschwund, die ungelöste Energiefrage, politische Desillusionierung, alles geht hier ineinander über.
Sind wir nicht alle ein bisschen kopflos?
Als Zuschauer steht man diesem inhaltlichen Chaos ebenso hilflos gegenüber. Wenn wir später Mr. M dann auch mal persönlich begegnen, dann ist klar, dass er nicht ganz klar im Kopf sein kann – nicht bei der Kleidung und den Dialogen. Beim Rest ist es ebenfalls nicht immer einfach nachzuvollziehen, was sie wollen, wovon sie reden, ob da irgendeine Form von Plan und Konzept dahintersteckt. Haben sie erst einmal die richtungsweisenden, wenn auch undurchsichtigen Doktrinen der Sekte verlassen, bleibt nur noch Desorientierung.
Das ist teilweise ganz sehenswert als Verbildlichung einer Sinnsuche. An anderen Stellen ist der Beitrag vom japanischen Filmfest Nippon Connection 2018 aber auch frustrierend. Die unruhig umherwackelnde Kamera und die nur wenig fassbaren Persönlichkeiten des Trios tragen dazu bei, dass Breath of Rokkasho auf Distanz bleibt. Dass man nie so wirklich gefangen ist von den drei Kindheitsfreunden, von ihren Unsicherheiten und Fragen. Man spürt zwar durchaus, dass Kimura viel erzählen will, größere Ambitionen bei seinem Generationenporträt hat. Er findet nur keinen rechten Weg, das auch auf eine spannende Weise zu vermitteln.
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