Christopher Robin
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Christopher Robin

Christopher Robin
„Christopher Robin“ Release // Kino: 16. August 2018

Als Kind gab es für Christopher Robin (Ewan McGregor) nichts Größeres, als mit Winnie Puuh und den anderen Plüschtieren in seinem Hundertmorgenwald große Abenteuer zu erleben. Doch nun ist er erwachsen und schwer mit der Arbeit beschäftigt. So schwer, dass er nicht einmal mehr Zeit für seine Frau Emily (Hayley Atwell) und Tochter Madeline (Bronte Carmichael) hat. Schließlich stehen viele Jobs auf dem Spiel, wenn er keine Lösung für die Probleme dort findet. Da muss dann schon einmal das geplante Familienwochenende verschoben werden, Pflicht geht vor! So ganz klappt das mit dem konzentrierten Zahlenschieben am Wochenende jedoch nicht, als nach all den Jahren plötzlich Puuh vor ihm steht und seine verschwundenen Freunde sucht.

Der beliebte Geheimtipp
Ein bisschen eigenartig ist es ja schon. Und vielleicht auch ein wenig unfair. Während Winnie Puuh im Bereich Merchandising zu den ganz Großen bei Disney zählt, werden seine Filme irgendwie immer ignoriert – vom Publikum wie auch vom Unternehmen selbst. So war Winnie Puuh eines der schönsten Werke, die in den letzten Jahren im mächtigen Animationsbereich des Mäusegiganten zu finden waren. Offensichtlich zweifelte man aber an der Zugkraft des traditionellen Zeichentrickfilms und ließ die Neuauflage in den Kinos verhungern.

Christopher Robin scheint es da ganz ähnlich zu ergehen. Während die Live-Action-Neuauflagen Disneys regelmäßig richtig viel Geld einspielen, allen voran The Jungle Book (966 Mio Dollar) und Die Schöne und das Biest (2017) (1,23 Milliarden Dollar), und auch der nächstes Jahr startende Der König der Löwen auf einer unglaublichen Hypewelle surft, wurde ganz vergessen, dass ja auch Puuh einen neuen Auftritt hat – trotz einer prominenten Besetzung, sowohl bei den Zweibeinern wie auch den zu Leben erwachten Plüschtieren. Daran dürfte vielleicht auch der Titel seinen Anteil haben, der zwar thematisch durchaus passend ist, es geht hier schließlich mehr um Christopher, der das Kind in sich vergessen hat als um seine ehemaligen Begleiter. Ob es jedoch auch aus Marketingsicht die beste Entscheidung war, den eigentlichen Star zu unterschlagen, das steht auf einem anderen Blatt.

Wunderschöner Anfang …
Noch größer ist die Enttäuschung, dass Christopher Robin auch inhaltlich so wenig aus sich macht. Der Anfang ist schön, sogar einer der schönsten der letzten Disney-Filme. Man muss nicht einmal sonderlich nostalgisch veranlagt sein, damit die Momente, in denen Christopher und seine Freunde sich im Hundertmorgenwald treffen, Tee trinken, Honig mampfen, nur um sich dann Auf Wiedersehen zu sagen, zu Herzen gehen. Gleiches gilt für die folgenden Szenen, wenn der einsame Puuh in den folgenden Jahren immer wieder vor dem Baum steht und darauf wartet, dass sein guter Freund zu ihm zurückkehrt.

Ohnehin sind die tierischen Kindheitsfreunde fantastisch geworden. Egal ob es nun der honigversessene Bär ist, der miesmutige Esel I-Ah oder auch der übermütige Tigger: Es gelang den Künstlern bei Disney, die Vorlage von Alan Alexander Milne wunderbar einzufangen. Sie wirken wie tatsächliche Spielzeuge, haben sich sowohl das Aussehen wie auch die Persönlichkeit der Originale bewahrt. Und auch die englischen Synchronsprecher leisten eine herausragende Arbeit, wenn sie die Kinderhelden von einst lebendig werden lassen. Das Problem ist nur: Der Film selbst hat keine echte Verwendung für die Figuren.

… ernüchterndes Ende
Die ersten Szenen, wenn Puuh Kontakt mit der Erwachsenenwelt hat, die sind natürlich witzig. Der langsame, simple Bär in der Großstadt, das ist wie gemacht für Culture Clash, da hier zwei Welten aufeinanderprallen, sie so gar nicht zusammen funktionieren. Und auch ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit, wenn Christopher alte Kämpfe auszutragen hat, ist überaus charmant. Ein Film ist dann aber doch mehr als nur eine Ansammlung von Einzelszenen. Sollte es zumindest sein. Doch genau an der Stelle versagt das wenig ambitionierte Drehbuch der eigentlich sehr talentierten Autoren Alex Ross Perry (Queen of Earth) und Allison Schroeder (Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen).

Die Geschichte um einen Mann, der wieder das Kind in sich entdeckt, ist ideal für ein bisschen herzerwärmende Nostalgie. In Christopher Robin ist davon aber kaum etwas zu spüren. Ein bisschen Slapstick hier, dort ein Mark Gatiss als Boss-Karikatur, dazwischen Christopher, dessen Entwicklung so ganz ohne Zwischenstationen auskommt: Das ist alles und nichts. Auch die Suche nach Puuhs Freunden ist vorbei, bevor sie wirklich angefangen hat. Klar, viel Komplexität und große Wendungen sind von einem Film, der sich an ein jüngeres Publikum richtet, nicht zu erwarten. Aber ganz so frei von einem eigenen Anspruch hätte das dann doch nicht sein müssen, die Chance etwas für junge wie erwachsene Zuschauer zu bieten, die wurde leichtfertig verschenkt. Süß ist das Leichtgewicht Christopher Robin natürlich trotzdem, im Vergleich zu dem in der Realität spielenden Goodbye Christopher Robin aber erschreckend magiefrei – von den Büchern Milnes ganz zu schweigen.



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Es ist schon ziemlich gemischt, was „Christopher Robin“ aus der beliebten Kinderbuchvorlage gemacht hat. Während der Einstieg warmherzig ist und die Umsetzung von Winnie Puuh und seinen Freunden sogar wunderbar gelungen ist, enttäuscht der weitere Verlauf. Vor allem das schwache Drehbuch lässt zu oft die Magie des Originals vermissen – von eigener Kreativität ganz zu schweigen.
6
von 10