Einige Jahre sind vergangen, seitdem die Ostukraine zum Schauplatz eines erbitterten Kampfes zwischen ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten wurde. Doch noch immer ist die Gegend von Gewalt geprägt, von Krieg und Terror. Viele haben ihre Häuser verlassen und hausen nun unter widrigsten Bedingungen in einer Bunkeranlage, um dort den Bomben zu entkommen. Doch dieser Krieg wird nicht nur mit Waffen geführt, sondern auch mit Worten: Mit immer absurderen Propagandamethoden wollen die Kontrahenten die Bevölkerung auf ihre Seite ziehen.
Wenn Sergei Loznitsa einen neuen Film dreht, dann muss man sich grundsätzlich ja auf einiges gefasst machen. In seiner Dokumentation Austerlitz berichtete der Filmemacher von Konzentrationslagern, die auf befremdliche Weise zu einer Touristenattraktion wurden. Die Sanfte nutzte der Regisseur und Drehbuchautor, um die absurde und menschenfeindliche Bürokratie Russlands an den Pranger zu stellen, die einer Frau den Zugang zu ihrem inhaftierten Mann verweigert. Nun nimmt sich der in Weißrussland geborene Ukrainer eines besonders heißen Eisen an: der Konflikt zwischen seinem Heimatland und Russland.
Wahrheit ist, was du draus machst
Die meisten dürften am Rande davon mitbekommen haben, zumindest in dem Kontext der völkerrechtlich mindestens strittigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland. Aber auch in der Ostukraine selbst kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Wer da im Einzelnen was genau tut, ist als Außenstehender nur schwer zu erfassen – auch weil die unabhängige Berichterstattung erschwert wird. Offizielle Verlautbarungen lassen sich nicht mehr überprüfen, die Wahrheit wird gedehnt und abgeändert, bis man überhaupt nicht mehr weiß, was hier gespielt wird.
Sehr viel klarer wird die Situation durch Donbass nicht. Im Gegenteil: Loznitsa nimmt eben diese Situation des Misstrauens und der gegenseitigen Beschallung, um das Publikum noch weiter zu verwirren. Schon in Die Sanfte unterbrach der Filmemacher die Haupthandlung immer wieder, um andere Anekdoten und Randgeschichten mit der Suche nach dem verschwundenen Ehemann zu verflechten. Dieses Mal verzichtet er komplett auf eine solche Haupthandlung. Zwar gibt es eine Geschichte, welche als Anfang und Ende eine Art Rahmen darstellt. Ansonsten zerfällt das Drama aber in ein Dutzend Episoden, die thematisch miteinander verwandt, aber völlig losgelöst voneinander sind.
Verloren auf weiter Flur
Einleitungen oder Kontexte gibt es dabei nicht. Donbass, das in Cannes 2018 Premiere feierte und dort auch einen Regiepreis in der Sektion „Un Certain Regard“ erhielt, lässt das Publikum in den Wirren allein, in den Fallstricken, Bomben und Lügengeflechten. Oft wird nicht einmal klar, wen wir da eigentlich sehen, auf welcher Seite wir unterwegs sind. Das liegt auch daran, dass Loznitsa es vermeidet, zu einseitig Partei zu ergreifen. Trotz seiner bekannten Russlandkritik: Die Ukrainer bekommen ebenso ihr Fett weg. Eine der verstörendsten Episoden zeigt, wie ganz normale ukrainische Bürger über einen russischen Kämpfer herfallen, aus ein paar Passanten ein kaum noch zu bremsender Lynchmob wird.
Das ist spannend, geht bis an die Schmerzgrenze. Oft regiert hier das Grauen, der Film beschreibt die Ostukraine als Pulverfass, in dem ständig gezündelt wird. Manchmal kann Donbass aber auch komisch sein, sofern man selbst einen absurden Galgenhumor hat. Vor allem die Propagandamaßnahmen sind so dreist, dass sie Teil einer Komödie sein sollten. Es aber nicht sind. Vielmehr sind sie kurze Verschnaufpausen in einem bitteren Werk, das nur die Farce kennt, keine Hoffnung. In dem ohne Rücksicht auf Verluste um einen Sieg gekämpft wird, der am Ende aber nur Verlierer kennt.
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